Regierungsprogramm: Kapitel "Digitalisierung"

Im türkis-grünen Programm finden sich in Hinblick auf den Bereich Digitalisierung zunächst einige alte Bekannte aus älteren Regierungsprogrammen. Vom Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G und von Glasfasernetzen bis zur "Digitalen Verwaltung" – zum Teil ähneln sich dabei sogar die Formulierungen. Doch es gibt auch so manche auffällige Neuerung.

Überwachung und Sicherheit

Ein für die grüne Basis wohl schwer zu verdauender Brocken findet sich im Bereich Überwachung, ist dort doch explizit von der "Prüfung der Schaffung einer verfassungskonformen Regelung zur Überwachung unter anderem für verschlüsselte Nachrichten im Internet" die Rede. Bisher hatten sich die Grünen strikt gegen solche Pläne gestellt, der Verfassungsgerichtshof hat entsprechende Ambitionen der Vorgängerregierung vor wenigen Wochen erst zurückgeworfen. Wie so eine Lösung aussehen könnte, führt man nicht aus – wohl auch, um das unpopuläre Wort "Bundestrojaner" zu vermeiden. Immerhin ist nur mit solch einer Spionagesoftware die Umsetzung entsprechender Pläne möglich, wie Experten immer wieder betonen.

Im Bundesheer soll der Bereich Cyber-Defense wieder aufgewertet werden. Die türkis-grünen Verhandler sehen hierin gar einen der Schwerpunkte für die Aufgaben des Heeres – neben den gewohnten Klassikern wie Friedenseinsätze, Assistenzleistungen und Katastrophenschutz.

Auch will die Regierung stärker gegen Cyberkriminalität vorgehen. Im Innenministerium sollen spezielle "Cyber Cops" installiert werden. Netzbetreiber sollen zudem "eindeutige IP-Adressen" vergeben, damit ihre Kunden im Fall des Falles leicht identifizierbar sind. Dies soll bei Quick Freeze, der Vorratsdatenspeicherung light, zum Einsatz kommen. Mit Quick Freeze verpflichtet die Regierung Telekomanbieter dazu, bei einem "Anfangsverdacht" Daten von Betroffenen nach Aufforderung bis zu zwölf Monate lang zu speichern.

Datenschutz

Ebenfalls auf die Fahnen schreiben sich die türkis-grünen Verhandler eine Stärkung des Datenschutzes. So soll die derzeit chronisch überforderte Datenschutzbehörde "mit den erforderlichen finanziellen, personellen und materiellen Mitteln ausgestattet" werden. Außerdem findet sich im Regierungsabkommen die Absichtserklärung, den "Kampf gegen Hass im Netz und Schutz vor Desinformation" zu verstärken. In diesem Bereich werden sowohl eine bessere Unterstützung für Opfer als auch neue Möglichkeiten zur Verfolgung entsprechender Taten anvisiert.

Darüber hinaus bekennt sich die neue Regierung zur "Netzneutralität nach Vorgaben der EU". Eine etwas überraschende Formulierung, da die Einhaltung von EU-Vorgaben ohnehin verpflichtend ist.

Open Data

Aus einer netzpolitischen Sicht durchaus interessant ist das Auftauchen des Begriffs Open Data. Konkret ist die Rede davon, dass eine "Umsetzungsstrategie entwickelt" werden soll, die klärt, wie "nichtpersonalisierte Daten des Bundes künftig veröffentlicht werden könnten". Die Grünen hatten sich in der Vergangenheit immer wieder für so eine Öffnung starkgemacht. Dieser Punkt ist auch einer der konkreteren in der betreffenden Kategorie im Regierungsprogramm. So wird etwa das Ziel vorgegeben, sämtliche Daten der Verkehrsauskunft Österreich als Open Service und Open Data zu veröffentlichen. Auch will man künftig etwa die veröffentlichten Daten zum Budget in einer maschinenlesbaren Form bereitstellen. Und nicht zuletzt soll auch eine Machbarkeitsstudie mit dem Ziel einer "Strategie zur Nutzung von Open Source Software im Bund" durchgeführt werden.

Die Ö-Cloud kommt

Zusätzlich soll eine "Ö-Cloud" eingeführt werden, oder wie es im Programm heißt: "Schaffung eines nationalen Netzwerks an Servern, auf dem Nutzerinnen und Nutzer in Österreich ihre Daten benutzerfreundlich in der Cloud abspeichern können." Eine Forderung, mit der die ÖVP im Wahlkampf kurzfristig sogar bei der Wirtschaftskammer Wien für Verwunderung sorgte, da es bereits zahlreiche heimische Anbieter gibt – darunter etwa die teilstaatliche A1. Die grünen Verhandler scheinen diesen Plänen aber nun trotzdem zugestimmt zu haben. Ein weiteres Vorhaben ist der Aufbau eines staatlichen "Innovations- und Wachstums-Fonds", der Risikokapital zur Verfügung stellt. Damit sollen Start-ups gefördert werden. Ein Thema, das der letzten Regierung nicht besonders am Herzen lag.

Des Weiteren will die Regierung einen "Masterplan für Blockchain-Technologie und Kryptowährungen" erstellen und eine KI-Strategie für Österreich entwickeln. Allesamt Begriffe, die derzeit auch in den Regierungsprogrammen anderer Länder Hochkonjunktur haben. Als Basis für die KI-Strategie soll der Expertenbericht aus dem Jahr 2019 dienen, zudem betont man den "Schutz der Menschenwürde" beim Einsatz solcher Systeme. In eine ähnliche Kerbe schlägt die verpflichtende Durchführung von Technologiefolgenabschätzungen bei "wesentlichen öffentlichen Digitalisierungsvorhaben".

Vermischte Vorhaben

Außerdem will die neue Regierung die IT-Systeme des Bundes konsolidieren – nicht zuletzt mit dem Blick auf die Reduktion von Lizenzkosten. Das Bundesrechenzentrum soll zudem in ein Kompetenzzentrum für Digitalisierung in der Bundesverwaltung weiterentwickelt werden. Auch der schon etwas angegraute Begriff "Green IT" hat es ins Regierungsprogramm geschafft. Es soll eine Strategie entwickelt werden, um die Ressourcennutzung der Rechner in der öffentlichen Verwaltung zu reduzieren.

Im Kampf gegen die Dominanz der IT-Riesen aus den USA soll gezielt der österreichische Medienstandort gefördert werden. Außerdem ist die Rede von der Weiterentwicklung von Förderungen sowie einer Anpassung der E-Commerce-Richtlinie und der "Ermöglichung von wirtschaftlichen Kooperation". Ebenfalls durchsetzen will die türkis-grüne Regierung eine Reform der Verwertungsgesellschaften – und zwar "im Sinne der Künstlerinnen und Künstler".

Upload-Filter

Die umstrittenen Upload-Filter finden im Regierungsprogramm ebenfalls Erwähnung, wenn auch etwas vage: Bei der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie sei besonders auf den Schutz der Privatsphäre zu achten, um diesen mit den Rechten der Urheberinnen und Urheber in Einklang zu bringen. (Andreas Proschofsky, Markus Sulzbacher, 2.1.2020)