Brian Gitta ist studierter Informatiker. Er gründete mit Freunden und Studienkollegen – sie sind allesamt auch Malariapatienten – das Start-up Think IT, das Lösungen im E-Health-Bereich anbietet.

Foto: Rolex/ Joan Bardeletti

Kaum eine Krankheit fordert weltweit mehr Todesopfer als Malaria. An die 500.000 wurden etwa im Jahr 2016 dokumentiert. Natürlich führt eine Infektion nur bei einem kleinen Teil der Erkrankten tatsächlich zu Nierenversagen, Koma oder Tod. Beim Großteil der Patienten bleibt es bei Fieber, Durchfall oder leichteren Funktionsstörungen von Organen. Je schneller die Diagnose erstellt wird, desto besser kann behandelt werden und desto optimistischer sind die Prognosen des Krankheitsverlaufs.

Auch in Uganda mit seinen 35 Millionen Einwohnern ist Malaria die Todesursache Nummer eins. In vielen Regionen ist es schwierig, überhaupt Menschen zu finden, die noch nie eine Ansteckung hatten. Brian Gitta, der in Kampala am Viktoriasee lebt, gehört zu jenen, die sich den über die Anopheles-Stechmücken verbreiteten Parasiten schon als Kleinkind einfingen. Als studierter Informatiker gründete er mit Freunden und Studienkollegen – sie sind allesamt auch Malariapatienten – das Start-up Think IT, das Lösungen im E-Health-Bereich anbietet. "Wir haben uns dazu entschieden, neue Technologien zu verwenden, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern", sagt Gitta im STANDARD-Gespräch. Die Idee zu seiner Malariaplattform Matibabu – das Swahili-Wort lässt sich mit Medizin oder Behandlung übersetzen – hatte er, wie er sagt, als er nach einem schweren Anfall ans Bett gefesselt war.

"Afrikanische Lösung"

App und Dashboard sollen es Patienten ermöglichen, Daten über den individuellen Gesundheitszustand zu sammeln. Mediziner sollen mittels eines Dashboards regionale Ausbruchshäufigkeiten und Trends beobachten und automatisierte Vorhersagen abrufen können. Doch das wirklich Besondere an Gittas Malariatechnologie ist ein neuartiges Diagnostikwerkzeug. Das "Matiscope", wie der Erfinder die Anwendung nennt, verleiht der abgenutzten Phrase der "afrikanischen Lösungen für afrikanische Probleme" neues Leben.

Das Gerät soll Plasmodien, wie die einzelligen Malariaparasiten genannt werden, im Körper der Patienten schneller erkennen können als bisherige diagnostische Verfahren. Gleichzeitig soll die Anwendung besser verfügbar sein als herkömmliche Labortests. Auf diese Art kann nicht nur die Behandlung schneller eingeleitet werden. Es werden auch viele unnötige und teure Medikamenteneinnahmen eingespart, die bei Verdacht auf die Erkrankung – aber ohne deren Nachweis – erfolgen. Für seine Entwicklung erhielt der 1992 geborene Gitta nicht nur Preise von Microsoft und Rolex, er war auch der bisher jüngste Gewinner des Africa Prize for Engineering Innovation, der größten Auszeichnung in diesem Bereich auf dem afrikanischen Kontinent.

Zur Untersuchung wird ein sauberer Finger in eine Fingerklemme gesteckt, in der die Sensorik verbaut ist. Blutabnahme ist nicht mehr nötig.
Foto: Rolex/ Joan Bardeletti

Alternative zum "Dicken Tropfen"

Schnelltests bei Malaria sind recht unsicher. Der schnellste sichere Nachweis gelingt mit dem sogenannten "Dicken Tropfen". In einem etwa halbstündigen Verfahren wird dabei eine Blutprobe mit den Krankheitserregern angereichert, gefärbt und unter dem Mikroskop untersucht – eine Prozedur, die medizinisches Equipment und geschultes Personal benötigt. Gitta möchte hier eine Alternative bieten, die mit weniger Ressourcen auskommt.

Seine Lösung führt mehrere technische Ansätze zusammen. "Wir versuchten die Biologie der Plasmodien zu verstehen und probierten im Zuge unserer Forschung eine ganze Reihe verschiedener möglicher Lösungen aus", blickt der Unternehmer zurück. Der aktuelle Prototyp kombiniert Sensoren, die auf Magnetismus und Lichtstreuung basieren. Zur Untersuchung wird ein sauberer Finger in eine Fingerklemme gesteckt, in der die Sensorik verbaut ist. Blutabnahme ist nicht mehr nötig.

Die Plasmodien verursachen die Entstehung von kristallinem Hämozoin aus dem Blutfarbstoff Hämoglobin. Die Partikel, die Eisen in sich tragen, haben magnetische Eigenschaften. Schon früher wurde erkannt, dass diese mit komplexen Messeinrichtungen wie einem Kernspinresonanzspektrometer messbar sind. Gitta nutzt die Daten seiner Magnetsensoren gemeinsam mit Infrarotsensoren, die anhand der Lichtstreuung Daten über die Blutkörperchen – etwa ihre Form und Konzentration – sammeln. Alles zusammen schickt er durch ein Machine-Learning-System, einen Algorithmus, der darauf trainiert ist, Daten eines gesunden Menschen von jenen eines Malariakranken zu unterscheiden.

Im Moment läuft eine klinische Studie, die die Methode mit Bluttests vergleicht. Bis die Anwendung tatsächlich am Markt ist, wird aber noch einige Zeit – Gitta spricht von zumindest zwei Jahren – vergehen. "Wir müssen die Technologie noch verfeinern, um eine Genauigkeit im Gold-Standard-Bereich zu erreichen", erklärt der Erfinder. "Dann müssen wir noch durch die entsprechenden Zertifizierungsprozesse."

Gitta ist bezüglich einer Serienfertigung bereits mit Pharmafirmen im Gespräch. Wichtig dabei ist, dass die Anwendung für die lokalen Märkte günstig genug ist. Es wird sich zwar nicht ausgehen, dass wie ursprünglich geplant ein "Matiscope" für jeden Haushalt erschwinglich ist, aber Ärzte, medizinische Stationen und andere Gesundheitseinrichtungen sollen damit einen sicheren und wirklich schnellen Test anbieten können – zuerst in Uganda, später in den umliegenden Ländern. Malaria, die häufigste Infektionskrankheit der Welt, könnte damit ein Stück weit berechenbarer werden. (Alois Pumhösel, 3.1.2020)