Knochenmark war in der Altsteinzeit eine begehrte Ressource.
Foto: Ruth Blasco/AFTAU

Vor etwa 400.000 Jahren war die Ostküste des Mittelmeers noch nicht vom Homo sapiens bewohnt, selbst für den Neandertaler war es noch zu früh. Doch auch die noch nicht näher spezifizierten Homo-erectus-Nachfahren, die dort lebten, kannten offenbar bereits eine Art Vorratswirtschaft.

Ein Team um Ruth Blasco von der Universität Tel Aviv hat Tierknochen aus der nur zwölf Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen Qesem-Höhle studiert. Diese Höhle war im Zeitraum vor etwa 420.000 bis 200.000 Jahren bewohnt und ermöglicht Einblicke in die Altsteinzeit – eine Phase der menschlichen Kultur, in der noch mehr als nur eine Spezies als Kulturträger fungierte.

Konserviertes Knochenmark

Einige der dort gefundenen Damhirsch-Knochen weisen Bearbeitungsspuren auf, die sich von den üblichen unterscheiden. Während den meisten Knochen das Fleisch unmittelbar nach der Jagd abgezogen wurde, ließ man diese etwas länger liegen, so die Forscher. Die Spuren sprechen dafür, dass diese Knochen zum Zeitpunkt der Verarbeitung nur noch von trockener Haut überzogen waren – erst dann wurden sie geknackt. Man hat sie also über einen gewissen Zeitraum gelagert, um für Zeiten des Mangels einen Snack parat zu haben.

Bei diesen Knochen handelt es sich vor allem um Mittelfußknochen und Schädelknochen – also solche, an denen ohnehin nicht viel Fleisch dran ist. Aber sie enthalten Knochenmark, das fettreich und damit nahrhaft ist. Indem die Menschen von Qesem die Haut auf den Knochen ließen, konnten sie die wertvolle Ressource überraschend lange konservieren. Blascos Team führte entsprechende Experimente durch und kam zum Ergebnis, dass sich das Mark in diesen Knochen bis zu neun Wochen lang hielt, ohne allzu sehr zu verderben.

Not macht erfinderisch

"Die Knochen wurden als Konserven verwendet", fasst Blascos Kollege Ran Barkai die Ergebnisse zusammen. Bislang habe man gedacht, dass die Menschen dieser frühen Ära jede erjagte Beute sofort verzehrten und anschließend hoffen mussten, dass die Fastenzeit bis zum nächsten Jagderfolg nicht allzu lange ausfallen würde. Die Funde aus Qesem würden aber zeigen, dass es bereits ein gewisses Maß an Vorsorge gab.

Die Forscher verweisen darauf, dass es in dieser Ära zu einer ganzen Reihe weiterer Innovationen gekommen sei: vom regelmäßigem Gebrauch von Feuer über die ersten Koch- und Bratversuche bis zum Recycling von Materialien. Möglicherweise habe Not diese frühen Menschen erfinderisch gemacht. Ältere Spuren wiesen nämlich darauf hin, dass in der Region zunächst Elefanten die wichtigste Beute der Menschen waren. Nach deren Verschwinden musste man sich auf spärlicheres Wildbret umstellen – und besser damit wirtschaften lernen. (red, 26. 1. 2020)