Regierungsprogramm: Kapitel "Transparenz".

Schon seit Tagen verweisen die Grünen auf diesen Erfolg in den Regierungsverhandlungen: Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist im türkis-grünen Koalitionspakt festgeschrieben. Und das umfassend: Nicht nur werden die Verfassungsartikel, die die Amtsverschwiegenheit festschreiben, aufgehoben. Die neue Regierung plant auch, Informationsfreiheit als einklagbares Recht zu etablieren.

Das betrifft alle staatlichen Stellen sowie Unternehmen, die aufgrund staatlicher Beteiligung der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen. Darüber hinaus soll eine "Pflicht zur aktiven Informationsveröffentlichung" verfassungsrechtlich verankert werden: Informationen "von allgemeinem Interesse" sind zu veröffentlichen, "insbesondere Studien, Gutachten, Stellungnahmen, Verträge ab einem festzulegenden Schwellenwert". Damit wäre Schluss mit Studien und Verträgen, für die die Steuerzahler bezahlt haben, deren Inhalt sie aber nicht kennen dürfen.

Werden diese Transparenzregeln umgesetzt, wäre das tatsächlich ein großer Schritt in Richtung gläserner Staat – auch wenn der von den Grünen früher geforderte Informationsfreiheitsbeauftrage nicht vereinbart wurde. Die vereinbarten Ausnahmen sind klar begrenzt. Für die vollständige Umsetzung dieses Kapitels brauchen ÖVP und Grüne allerdings eine dritte Partei, um sich eine Zweidrittelmehrheit bei verfassungsrechtlichen Änderungen zu sichern. Gelingt ihnen das, steht der Republik eine vollständige Änderung der Verwaltungskultur ins Haus.

Mehr RH-Prüfrechte bei Parteifinanzen

Bei den Parteifinanzen erhält der Rechnungshof (RH) eine lange geforderte Aufwertung. In vielen Fällen dürfen die Prüfer direkt in die Finanzen der Parteien Einschau halten. Etwa bei "konkreten Anhaltspunkten zur Feststellung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Rechenschaftsberichts der Parteien und der Einhaltung des Parteiengesetzes". Außerdem kann der RH "bei begründetem Verdacht auf Verletzung des Parteiengesetzes von sich aus jederzeit tätig werden und prüfen".

Angesichts der aktuell massiv eingeschränkten Prüfrechte des RHs ist das ein großer Schritt in Richtung mehr Transparenz, wenn auch die Einschränkung auf den "begründeten Verdacht" Raum für Interpretationen gibt.

Eine der größten Änderungen würde die künftig vorgeschriebene Bilanz für die Bundesparteien bedeuten: Wie ein Unternehmen müssten die Parteien dann ihre Vermögen, Schulden, Einnahmen und Ausgaben offenlegen. Zusätzlich müssen Geldflüsse innerhalb der Parteiorganisationen ausgewiesen werden. Ähnliches gilt für die Landesparteien. Geheime Kredite, heimlich verschobenes Geld oder Goldbarrenbunker fernab der Öffentlichkeit würden damit illegal.

Wahlkampfkosten eingeschränkt

Auch bei den Wahlwerbekosten planen Türkis und Grün Verschärfungen. Für jeden Wahlkampf soll etwa ein eigener Rechenschaftsbericht vorgelegt werden müssen – allerdings erst sechs Monate nach der Wahl. Geprüft wird der Bericht vom Rechnungshof, gemeinsam mit dem darauffolgenden regulären Rechenschaftsbericht. Damit könnte sich diese Prüfung je nach Wahltermin erheblich hinziehen.

Scharfe Sanktionen gibt es bei Überschreitungen der Wahlkampfkostenobergrenze: Für die ersten zehn Prozent Überziehung zahlen die Parteien 15 Prozent Strafe, für zehn bis 25 Prozent schon 50 Prozent dieses Überschreitungsbetrags, bei 25 bis 50 Prozent setzt es 150 Prozent Strafe und bei über 50 Prozent 200 Prozent. Eine Wahlkampfkostenüberschreitung wie im Jahr 2017 könnte sich die ÖVP also nicht mehr leisten.

Klare Definition der Wahlkampfausgaben

Auch bei den Parteispenden soll mehr Offenheit herrschen: Alle Einzelspenden über 500 Euro sollen innerhalb von drei Monaten veröffentlicht werden – ob nur der Spendeneingang oder auch die Identität der Spenderin oder des Spenders transparent gemacht werden muss, ist nicht eindeutig festgeschrieben. Anonyme Spenden über 200 Euro sind in Zukunft jedenfalls verboten.

Präzisiert wird auch der Begriff der Wahlkampfkosten an sich: Tricksereien mit knapp vor dem Stichtag bezahlten Rechnungen sind in Zukunft nicht mehr möglich, wenn klargestellt wird, dass "ausschließlich Aufwendungen im Zeitraum vom Stichtag bis zum Wahltag" gemeint sind. Personenkomitees für den Wahlkampf müssen sich künftig beim Rechnungshof registrieren und werden damit ebenfalls ein Stück weit transparenter.

Und dann schärft die neue Koalition noch bei den Sanktionen nach. Aktuell gibt es ja Regelungen, die zwar bestehen, mangels Strafen bei Nichteinhaltung aber zahnlos sind. Gibt eine Partei etwa ihren Rechenschaftsbericht nicht fristgerecht ab, drohen künftig Strafen – ebenfalls für unvollständige Rechenschaftsberichte.

Ehrenamt soll keine Sachspende sein

Umgehungskonstruktionen über erhöhte Mitgliedsbeiträge werden verunmöglicht. Nicht im Detail einig wurden sich ÖVP und Grüne offensichtlich bei den "nahestehenden Organisationen": Der Begriff soll unter Rücksichtnahme auf die Empfehlungen des RHs evaluiert und angepasst werden – mehr ist im Programm nicht festgelegt.

Eine eigenartige Bestimmung findet sich am Schluss des Kapitels: Es solle zwischen "Aktivitäten der politischen Parteien und der Zivilgesellschaft" klar differenziert werden: "Ehrenamtliches zivilgesellschaftliches Engagement, das ohne Gegenleistung getätigt wird, soll durch die Regelung des Parteiengesetzes nicht beschränkt werden. Diesbezüglich ist eine Regelung speziell zu Sachspenden zu prüfen." Dieser Absatz fällt nach den besonders klaren und detaillierten Bestimmungen zu Transparenz und Prüfrechten aus der Reihe – das Motiv dafür ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich.

Kleine Nachbesserungen beim Wahlrecht

Auch ein – vage gehaltenes – Kapitel zu einer Wahlrechtsreform findet sich im türkis-grünen Programm. Geprüft werden soll etwa die Auszählung aller Urnen- und Briefwahlstimmen am selben Tag, um schon am Wahlsonntag ein Endergebnis vorliegen zu haben. Bei der Briefwahl soll es außerdem nicht näher bestimmte "Erleichterungen" bei Beantragung, Ausstellung und Stimmabgabe am Amt geben.

Was im Sinne des Wahlgeheimnisses noch interessant werden könnte, ist die Idee, die Briefwahl "auf dem Postweg analog zu Paketsendungen nachvollziehbar" zu machen: Das Briefwahlkuvert soll zum Beispiel mit einem Strichcode versehen werden, um der Wählerin oder dem Wähler zumindest den Eingang bei der Wahlbehörde bestätigen zu können. (Sebastian Fellner, 2.1.2020)