Regierungsprogramm: Kapitel "Landesverteidigung"

Für das finanzmarode Bundesheer gibt es im türkis-grünen Regierungsübereinkommen zwar nicht wenige Willensbekundungen, aber man bleibt dabei vage: Der Zustand des Militärs erfordere neue Konzepte, heißt es da etwa – dass die bestehenden Konzepte mangels Finanzierung durch frühere Regierungen nie umgesetzt worden sind, bleibt unerwähnt. Dazu wird verheißen, dass für die Ausstattung des Bundesheeres die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden, ebenso für die Miliz.

Weil Österreich als Mitglied der Europäischen Union an den Landesgrenzen von keinen Feinden umgeben sei, solle sich das Bundesheer über seine Kernkompetenzen hinaus vor allem auf Cyber-Defense, internationale Friedenseinsätze sowie Assistenzleistungen beim Katastrophenschutz (der wegen der Folgen des Klimawandels als besonders wichtig eingestuft wird) fokussieren.

Allein: Wegen der chronischen Unterdotierung des Verteidigungsbudgets hat Übergangsminister Thomas Starlinger genau davor gewarnt: dass schon die Kernkompetenzen nicht mehr gegeben sind und derlei zusätzliche Aufgaben nicht mehr erfüllt werden können.

Die Argumentation im Regierungsprogramm lässt für das Budget nichts Gutes erwarten: "Aufgaben, Strukturen und Mittel" müssten eben "weiterentwickelt und zeitgemäß neugestaltet" werden – eine Formulierung, mit der sich unschwer auch Kürzungen rechtfertigen lassen. Konkret ist das an jener Stelle abzulesen, an der die Reduktion schwerer Waffengattungen in den vergangenen Jahrzehnten gelobt wird.

Überhaupt nicht ausgeführt wird, wie künftig die Luftraumüberwachung bewerkstelligt werden soll. Zur Erinnerung: Die 50 Jahre alten Saab 105 haben wegen kaputter Bolzen mittlerweile den Geist aufgegeben, neben den kostenintensiven (und nicht erwähnten) Eurofightern braucht es also dringend Ersatz für Trainingsflugzeuge.

Dafür wollen ÖVP und Grüne ein türkis-blaues Projekt weiterbetreiben – und zwar die Reform der Tauglichkeitskriterien. Künftig soll es zwei Tauglichkeitsstufen geben, nämlich "volltauglich" und "teiltauglich", um mehr junge Männer in die Pflicht nehmen zu können. Bundesheerinsider meinten jedoch, dass die bisherigen neun Tauglichkeitsstufen zur Feststellung des Gesundheitszustandes bei der Musterung ausreichen, ein Herumdoktern daran würde allenfalls einige hundert zusätzliche Präsenzdiener pro Jahr bringen – das aber unter beträchtlichem Mehraufwand, weil es für diese eigene Vorschriften, Schutzbestimmungen und Ausrüstungen brauchen würde.

Großgeschrieben werden die "unumstößliche" Neutralität (ein Zugeständnis an die Verwurzelung der Grünen in der Friedensbewegung) und die Wehrpflicht: Hier konnte sich die ÖVP auf die von ihr mit einer Kampagne begleitete Volksbefragung vom Jänner 2013 berufen.

Eine besondere Ausnahmeregelung gibt es für das Bundesheer auch: Es soll auch nach dem Jahr 2027 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor beschaffen dürfen. Wenn Geld dafür da ist. (Conrad Seidl, Nina Weißensteiner, 2.1.2020)