Regierungsprogramm Kapitel "Kunst und Kultur"

Im Bereich Kunst und Kultur sollen sich die türkis-grünen Koalitionsverhandler in Windeseile geeinigt haben. Stolz stellt man schließlich im Vorwort des Regierungsprogramms fest, dass Österreich dafür besonders "gerühmt" werde. Im Vergleich zu den türkis-blauen Ausführungen zur Kultur von 2017 (fünf Seiten) wirkt das nunmehr von Türkis-Grün vorgelegte siebenseitige Regierungsvorhaben frischer und ambitionierter, vieles allerdings läuft auf ein besseres Management des Status quo hinaus, große Leuchtturmprojekte scheinen nicht geplant. Vorerst zumindest: Denn unter Einbeziehung aller Gebietskörperschaften will man erstmalig eine groß angelegte "Kulturstrategie" für das ganze Land erarbeiten.

Dass das Früchte trägt, wird nicht zuletzt vom politischen Gewicht der Kulturverantwortlichen abhängen. Bis zuletzt war allerdings nicht klar, wo genau bei den Grünen die Agenden ressortieren würden. Eva Blimlinger, Ex-Chefin der Akademie der Bildenden Künste und nunmehrige grüne Kultursprecherin, galt Beobachtern als Fixstarterin – hat sie doch federführend am Koalitionsabkommen mitgewirkt.

Lunacek als Überraschung

Spät wurde nun aber eine Überraschung bekanntgemacht: Ulrike Lunacek übernimmt den Job als Staatssekretärin, angehängt im Vizekanzleramt von Grünen-Chef Werner Kogler. Einen Staatssekretär für Kunst und Kultur anstatt eines zuständigen Ministers gab es zuletzt in Person von Franz Morak in Wolfgang Schüssels Kabinetten. Von vielen wurde das nachträglich nicht als Auf-, sondern Abwertung empfunden. Die Grünen werden also allerhand zu tun haben, die Kulturschaffenden – ihrerseits der Ökopartei oft positiv gesinnt – von den Stärken dieser Aufteilung zu überzeugen.

Inhaltlich gibt es im Regierungsprogramm die üblichen Bekenntnisse zur Breitenförderung (von Volkskultur bis zum Zeitgenössischen). Mit dem Auftrag, Kunst und Kultur auch in den Einsatz für Integration und den Kampf gegen den Klimawandel zu schicken, will die neue Regierung ihre allgemeine Schwerpunktsetzung selbst in diesem Bereich deutlich machen. Bemerkenswert ist, dass man sich offenbar erstmals zu einer Valorisierung (automatische Inflationsanpassung) diverser Förderungen durchringen will – etwas, das seit langem von der Kulturbranche gefordert wird.

Neue Bundesmuseen-Holding

Die größten Baustellen wird Lunacek in der Museumspolitik aufmachen. Die von Vorgänger Gernot Blümel (ÖVP) auf halbem Weg versandete Einrichtung einer Shared-Service-GmbH für die Bundesmuseen wird noch einmal überdacht und deutlich ausgebaut. Konkret soll eine übergeordnete Holding nach dem Vorbild der Bundestheater-Holding eingerichtet werden, die die sieben Museen inklusive Nationalbibliothek wirtschaftlich – und damit zum Teil auch inhaltlich – koordiniert und steuert.

Das kann, richtig gemacht, sinnvoll sein, weil es die häufig zu eigensinnig konkurrierenden Museumschefs unter einem Dach näher zusammenrücken lässt. Es birgt aber auch Risiken: etwa ein drohendes Verantwortlichkeitsvakuum, wie es im Zuge der Burgtheater-Finanzkrise zwischen Bühne, Holding und Ministerium offenkundig wurde. Oder einen weiteren Abbau der Forschungstätigkeiten der Museen, weil diese sich unter den Vorgaben der Wirtschschaftlichkeit zu sehr aufs Entertainment konzentrieren könnten.

50:50-Quoten, "Culture Tech Hub"

Positiv und neu ist, dass die Museumskuratorien ("Aufsichtsräte") künftig nach "inhaltlichen Kriterien", also nicht mehr nach Parteibuch, und 50:50-Quote weiblich/männlich besetzt werden sollen. Generell zieht sich auch das Transparenz-Mantra der Grünen durch das Programm: So sollen etwa Förderungen und eben Personalbesetzungen nachvollziehbarer werden.

Stark nach dem Programm der Linzer Ars Electronica klingt das Ansinnen, Österreich als "Culture Tech Hub" zu einem Vorreiter am Schnittpunkt von Technologie, Kunst und Kultur machen zu wollen. Die Restitutionsforschung und Rückgabepraxis will man neben der NS-Raubkunst nun auch auf kolonial belastete Museumsobjekte ausweiten, womit man einem internationalen Trend folgt. Die insgesamt stärkere grüne Handschrift beim Kulturprogramm wird auch daran deutlich, dass man die soziale Absicherung von Künstlern sowie faire Bezahlung in Kulturbetrieben weiter verbessern will.

Nur Nebulöses zum Haus der Geschichte

Was die konkreten großen infrastrukturellen Projekte angeht, bleibt man schwammig: Während das finanziell darbende Volkskundemuseum Erwähnung findet, schweigt man sich zu einem möglichen Fotomuseum in Salzburg, zum Haus der Geschichte (Neubau oder nicht?) oder zum reformbedürftigen Heeresgeschichtlichen Museum aus.

Und doch hält sich Türkis-Grün hier alles offen: So soll die Gedenkkultur unter dem Dach des Parlaments "zusammengeführt" werden. Ein vom Salzburger Landeshauptmann angeregtes "Konjunkturpaket für Kultur- und Gedenkstätten" fand ebenfalls Eingang. Viel wird also auch von der Gunst des Ex-Kulturministers Gernot Blümel abhängen. Der sitzt als Finanzminister künftig weit näher an der Quelle. (Stefan Weiss, 2.1.2020)