Klaus Schneeberger bei seiner Stimmabgabe für die Gemeinderatswahl 2015. Danach war die ÖVP zweitstärkste Kraft im bis dahin traditionell rotregierten Wiener Neustadt, Schneeberger wurde Bürgermeister. Auch am 26. Jänner wird es in Wiener Neustadt spannend.

Foto: Robert Newald

Haben Sie die wichtige Wahl am 26. Jänner auf Ihrem Radar? Ja, das Burgenland wählt an diesem Tag einen neuen Landtag – aber auch in 567 niederösterreichischen Gemeinden wird gewählt. In Österreichs größtem Bundesland finden Gemeinderatswahlen statt. Und bevor Sie jetzt schon aufhören zu lesen: Das ist spannender, als es sich vielleicht anhört. Und zwar darum:

1. Die Mobilisierung für wichtige Wahlen findet in den Gemeinden statt. Ja, die politische Großwetterlage spielt bei Landtags-, Nationalrats- und Europawahlen eine Rolle. Aber vielfach machen persönliche Kontakte vor Ort den Ausschlag für eine Wahlentscheidung. Nicht umsonst schicken die Parteien ihre Ortsparteien zum Klinkenputzen, die Funktionäre rennen für ihre Kandidaten – hunderttausende ehrenamtliche Stunden werden in jedem Wahlkampf investiert. Und das ist in Niederösterreich am wichtigsten, denn hier leben die meisten Wahlberechtigten. Und: Das Bundesland ist sehr kleinteilig strukturiert, eine große Stadt gibt es hier nicht. Die Mehrheit der Wähler wohnt in kleinen Gemeinden, wo es noch wahrscheinlicher ist, dass man mit jemandem von der Ortspartei auf Du und Du ist – und sich in einem persönlichen Gespräch vom Kreuz an der richtigen Stelle überzeugen lässt. Je besser die Parteien bei der Gemeinderatswahl abschneiden, desto besser aufgestellt sind sie für die nächste Wahl.

Die Parteien starten von unterschiedlichen Niveaus: Die Volkspartei tritt als einzige Partei in allen Gemeinden an, die SPÖ lässt 20 Gemeinden aus, die FPÖ steht in 200 Orten nicht auf dem Stimmzettel. Die Grünen kandidieren in 125 Gemeinden, die Neos in 39.

2. Die Parteien, Funktionäre und Wähler sind erschöpft. Im Jahr 2019 standen mit der Europawahl im Mai und der überraschend ausgerufenen Nationalratswahl im September zwei wichtige Urnengänge an. In Niederösterreich kommt nun noch die Gemeinderatswahl dazu. Die Parteien müssen jetzt zeigen, wie belastbar ihre Apparate und Ehrenamtlichen sind. Wem bei der dritten Wahl die Luft ausgeht, hat ein Problem.

3. Die Gemeinderatswahlen sind ein wichtiger Barometer für die politische Stimmung. Politiker aller Farben betonen gern, wie unterschiedlich Bürger auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene abstimmen. Meist, um Verantwortung für ein schlechtes Wahlergebnis abzustreifen. Das stimmt aber nur bedingt. Gemeinderatswahlen funktionieren wie ein Stimmungsbarometer für die politische Stimmung im Bundesland. Die Wähler können zwar sehr wohl zwischen den verschiedenen politischen Gremien unterscheiden, die sie wählen sollen. Dennoch neigen sie dazu, ihren Frust, ihr Unbehagen oder ihre Begeisterung für eine politische Partei auch auf dem Stimmzettel für die Gemeinderatswahl auszudrücken.

4. Die Wahl könnte wegen der Regelung für Zweitwohnsitzer angefochten werden. Dieses Thema begleitet Niederösterreich schon lange: das Wahlrecht für Menschen mit Nebenwohnsitz. Nur hier und im Burgenland dürfen Nebenwohnsitzer bei Gemeinderats- und Landtagswahlen wählen. In Niederösterreich war es bei der Gemeinderatswahl 2015 zu eigenartigen Vorgängen gekommen: Politiker meldeten teils dutzende Personen bei sich zu Hause an. Andere wählten in etlichen verschiedenen Gemeinden. Seitdem sind nicht mehr alle Zweitwohnsitzer wahlberechtigt, sondern nur jene, die laut Gesetz einen "ordentlichen Wohnsitz" mit gesellschaftlichem, beruflichem oder wirtschaftlichem Bezug zur Gemeinde haben. Ob das der Fall ist, entscheidet der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin. Das vage Gesetz gibt ihnen aber viel Spielraum: In manchen Gemeinden wurden hunderte Zweitwohnsitzer aus der Wählerevidenz gestrichen, in anderen kein einziger. Nach lauter Kritik versprach die Volkspartei mit ihrer absoluten Mehrheit, das Gesetz zu reparieren – doch das Vorhaben scheiterte: Für eine Neuregelung wäre eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen, die SPÖ stand dafür nicht zur Verfügung. Nun wird nach den bestehenden Regeln gewählt. Grünen-Chefin Helga Krismer kündigte im Gespräch mit dem STANDARD bereits an, eine Anfechtung der Wahl in zumindest einer Gemeinde ins Auge zu fassen. Das kann noch spannend werden.

5. In einzelnen Gemeinden könnte es spannend werden. So eine Gemeinderatswahl beinhaltet auch viel Drama – das äußert sich etwa in Abspaltungen und Namenslisten prominenter Lokalpolitiker. Besonders viele rote Politiker haben im Vorfeld dieser Wahl der SPÖ den Rücken gekehrt und treten mit eigenen Listen an. Der frühere rote Bürgermeister von Schwechat etwa, Gerhard Frauenberger, ist aus dem Klub ausgetreten und tritt gemeinsam mit einem früheren Freiheitlichen bei der Wahl an. In Laa an der Thaya gründete ein geschasster roter Stadtrat ebenfalls eine eigene Liste; Ähnliches passierte in Bruck und mehreren anderen Gemeinden.

Aber auch die ÖVP ist gegen Miniabspaltungen nicht gefeit. In Bad Fischau formierte sich eine Bürgerliste, für die auch mehrere frühere schwarze Gemeinderäte kandidieren. Und der frühere Vizeortsparteichef der Neulengbacher Volkspartei tritt mit einer Namensliste an.

Spannend kann es außerdem in Wiener Neustadt werden. Die traditionell rote Stadt im Industrieviertel wurde in den vergangenen fünf Jahren von einer "bunten" Stadtregierung unter Führung von Klaus Schneeberger (ÖVP) regiert – obwohl die Volkspartei 2015 nur auf Platz zwei hinter den Sozialdemokraten gelandet war. Das will Schneeberger – er ist auch mächtiger Chef des schwarzen Klubs im niederösterreichischen Landtag – ändern. Er hat als ambitioniertes Wahlziel ausgegeben, auf dem ersten Platz zu landen. In Wiener Neustadt kam es auch zu einem Kuriosum: Für die FPÖ tritt Jürgen Konecny an. Er war Regionalkoordinator bei den Neos und wechselte nun, quer durch das politische Spektrum, die Seiten. (Sebastian Fellner, 3.1.2020)