Regierungsprogramm: Kapitel "Arbeit".

Im Verein mit der FPÖ hatte die ÖVP im Kapitel Arbeit noch eine politische Bombe verpackt: Hinter einem dürren Satz verbarg sich im türkis-blauen Koalitionsprogramm eine Reform der Arbeitslosenleistungen, die an das berüchtigte Modell Hartz IV in Deutschland erinnerte. Nun, in einer Regierung mit den Grünen, müssen Sebastian Kurz & Co diese Pläne entscheidend entschärfen. Von der Abschaffung der Notstandshilfe oder dergleichen ist nun nicht mehr die Rede, sondern lediglich von einer "Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können". Das kann vieles heißen – oder nichts, wenn ÖVP und Grüne zu keiner Einigung kommen.

Diese Feststellung gilt auch für die Ankündigung eines One-Stop-Shops für Erwerbsfähige. Dahinter kann sich die Idee verstecken, dass künftig nicht nur Arbeitslosengeld und Notstandshilfe vom Arbeitsmarktservice (AMS) ausbezahlt werden, sondern auch die Sozialhilfe, vormals Mindestsicherung. Die brächte den Vorteil, dass Sanktionen einheitlich verhängt werden könnten, erläutert Sozialrechtsexperte Walter Pfeil von der Uni Salzburg: In der Vergangenheit kamen immer wieder Fälle vor, in denen das AMS wegen Arbeitsunwilligkeit oder anderer Verstöße Arbeitslosengeld sperrte, die Länder aber mit Sozialhilfe einsprangen. Außerdem würden Sozialhilfeempfänger dann direkt bei jener Stelle landen, die sie auch in einen Job vermitteln kann. Die Zusammenlegung wurde vor Jahren schon einmal versucht, scheiterte aber an Widerstand aus dem AMS.

Allerdings könne der One-Stop-Shop aber auch bedeuten, dass manche Arbeitslose aus dem Regime des AMS herausfallen und aufs Sozialamt geschickt werden sollen, analysiert Pfeil. Dahinter könnte sich dann doch wieder das Ziel verbergen, die Notstandshilfe abzuschaffen.

Ähnlich ungenau ist der Anspruch formuliert, dass die vom Arbeitsmarktservice (AMS) eingesetzten Instrumente überprüft werden sollen, ob diese Arbeitssuchende eh effizient genug beim Sprung ins Berufsleben stützen beziehungsweise antreiben. Konkreter liest sich eine einzelne Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen: Arbeitslose, die Kinder unter zehn Jahren zu betreuen haben, müssen künftig 20 statt 16 Wochenstunden verfügbar sein, wenn passende Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Sozialpartner dürfen mehr mitreden

Was schon in vielen politischen Arbeitsprogrammen stand, findet sich auch bei Türkis-Grün wieder: Jobsucher beider Geschlechter sollen in den für sie untypischen Metiers gefördert werden – Frauen in technischen Berufen, Männer in pädagogischen und sozialen Berufen.

Überdies verschreibt sich die Regierung dem Kampf gegen den Fachkräftemangel. So soll die Lehre mit einer Reihe von Maßnahmen aufgewertet werden – etwa indem die "Durchlässigkeit" zu anderen Bildungswegen erhöht wird.

Ein Novum: Kurzarbeit soll nicht nur bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern auch bei der Umstellung von Betrieben auf ökologische und klimafreundliche Produktionsweisen oder digitaler Umrüstung zur Sicherung von Beschäftigung möglich sein.

Auffällig ist überdies: Während Türkis-Blau die (roten) Arbeitnehmervertreter weitgehend ignoriert hat, sollen die Sozialpartner nun offenbar wieder stärker eingebunden werden. Das gilt für die Einführung eines Zeitwertkontos, um längere Auszeiten vom Job zu ermöglichen, ebenso wie bei der Etablierung eines Bildungskontos, das berufliche Umorientierung, Aus- und Weiterbildung sozial absichert.

Nicht fix ist eine weitere Lohnnebenkostensenkung. Hier ist nur von einer Prüfung die Rede, Leistungsreduktionen werden als Konsequenz ausgeschlossen.

Arbeit in neuen Händen

Die vielleicht markanteste Änderung betrifft die Kompetenzverteilung: Künftig wird nicht mehr das Sozialministerin für die Arbeitsmarktpolitik zuständig sein, sondern ein neues Ministerium für Arbeit, Familie und Jugend unter der Führung der ÖVP-Politikerin Christine Aschbacher. Der neue grüne Sozialminister Rudolf Anschober verliert damit viel Spielraum zum Gestalten. Sein Budget bleibt zwar hoch, ist aber – Stichwort Pensionen – zu einem Gutteil an Fixausgaben gebunden. (Gerald John, 2.1.2020)