Foto: Der Standard / Matthias Cremer

Nein, die Grünen haben sich nicht über den Tisch ziehen lassen, und ja, es gibt ein paar strittige Punkte, die nicht unter Kompromiss zu verbuchen sind. Was die Verteilung der Macht betrifft, haben sich die Grünen behauptet. Wenn man das nicht in die gängigen Kategorien von Siegern und Verlierern einordnen will: Die Ressortaufteilung ist eine vernünftige, eine, die in etwa das von den beiden Parteien erzielte Wahlergebnis widerspiegelt.

Empörungspotenzial ist zweifellos vorhanden, die Opposition übt sich schon darin, das hält sich aber in Grenzen. Woran sich die grüne Basis abarbeiten wird, ist die Sicherungshaft, gegen die sich die Grünen bis zuletzt gestemmt haben. Das war Sebastian Kurz aber ein derart wichtiges Anliegen, dass sich der kleine Koalitionspartner in spe schließlich gefügt hat. Es soll ein zusätzlicher Hafttatbestand eingeführt werden, eine "Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit" – ohne Verurteilung, offenbar auch ohne konkreten Verdacht auf einen bestimmten Tatbestand. Das ist ein starkes Stück, ein gedankliches Erbe der vorangegangenen Koalition mit der FPÖ und steht für jenen Mitte-rechts-Kurs, dem sich die ÖVP verpflichtet fühlt. Das Gleiche gilt für das Kopftuchverbot, das bis zu einem Alter von 14 Jahren gelten soll. Die Grünen hatten das stets bekämpft, jetzt tragen sie es mit. Im Grunde genommen ist das in beiden Fällen Symbolpolitik.

Das Beste aus beiden Welten

Sebastian Kurz sprach vom Besten aus beiden Welten. Kritiker könnten auch vom Schlechtesten aus beiden Welten ausgehen, da bestimmt der eigene Standpunkt sehr stark die Wahrnehmung. Wer die Grünen bisher abgelehnt hat, wird mit ihnen auch nicht glücklich werden, wenn sich ein ÖVP-Filter darüberlegt. Und der Kurz-Fankreis wird in linken Kreisen durch die Koalition mit den Grünen keinen Zulauf erfahren.

Das Beste an dieser Koalition ist wohl der Umstand, dass sie das Land weniger polarisieren sollte, als das bei der Kurz-Kickl-Koalition der Fall war. Die Kurz-Kogler-Koalition bietet tatsächlich aus beiden Welten etwas, ob es das Beste sein wird, lässt sich angesichts der großteils sehr allgemein gehaltenen Überschriften des Regierungsübereinkommens noch nicht fix sagen. Das wird erst die konkrete Umsetzung zeigen – und die hängt wiederum entscheidend von jenen Personen ab, die dafür in der Regierung zuständig sind.

Kampf gegen den Klimawandel

Enttäuschend wirkt auf den ersten Blick jener Themenbereich, der als grünes Kernstück dieser Koalition angepriesen wird, der Kampf gegen den Klimawandel. Der Vorsatz, dass Österreich Klimaschutzvorreiter in Europa werden möge, ist löblich, klingt aber großspurig. Anhand der im Regierungspakt angeführten Maßnahmen lässt sich das noch nicht nachvollziehen. Über eine angestrebte Kostenwahrheit bei den CO2-Emissionen wird bis 2022 nachgedacht. Offenbar gab es hier keine Annäherung, daher wurde die CO2-Steuer in eine Taskforce verräumt. Da muss man abwarten, was kommt, wer sich durchsetzt. Nicht ÖVP oder Grüne, sondern Vernunft und Notwendigkeit hoffentlich.

Bei aller Skepsis, bei allem Zweifel: Diese Regierung hat eine Chance verdient, und es wäre wunderbar, wenn sich die guten Ansätze beider Parteien zu einem konstruktiven Miteinander verbinden würden, im Sinne der Menschen, der Gerechtigkeit, der Umwelt. Das mag ein naiver Ansatz sein, aber die Destruktivität des Alles-schlecht-Machens bringt uns mit Sicherheit auch nicht weiter. (Michael Völker, 3.1.2020)