General Ghassem Soleimani war eines der ranghöchsten Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden.

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Eine Reaper-Drohne feuerte mehrere Raketen auf einen Konvoi ab, der gerade das Flughafengelände verließ.

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in Teheran gingen am Freitag Tausende auf die Straße, um gegen den US-Angriff zu protestieren.

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Bei einem US-Raketenangriff vergangene Woche wurden 25 Mitglieder proiranischer Milizen im Irak getötet. Bei einem Trauermarsch für die Opfer wurde demonstrativ über eine auf dem Boden aufgezeichnete US-Flagge gegangen. Danach wurde die US-Botschaft in Bagdad angegriffen. Auch eine Israel-Flagge war auf dem Boden aufgezeichnet.

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Die USA schickten zusätzliche Marines, um die Botschaft in Bagdad zu bewachen.

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Ghassem Soleimani bei einer Zeremonie zu Gast bei Irans geistlichem und politischem Führer Ayatollah Ali Khamenei.

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Auch Abu Mahdi al-Muhandis, Chef wichtiger Schiiten-Milizen im Irak, wurde bei dem Raketenangriff getötet.

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In der syrischen Rebellenhochburg Dana (Provinz Idlib) wird Soleimanis Tod mit Süßigkeiten gefeiert.

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DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE:

  • Die USA haben bei einem Drohnenangriff auf den Flughafen Bagdad den Chef der iranischen Al-Quds-Brigaden, Ghassem Soleimani, getötet.
  • Zudem wurden dabei Abu Mahdi al-Muhandis, Chef der irakischen Schiiten-Milizen, und sechs weitere Menschen ums Leben gebracht.
  • Irans geistlicher Führer Ayatollah Ali Khamenei drohte den USA dafür mit "schwerer Vergeltung".
  • Auch Irans Verbündete, die libanesische Hisbollah, rief zur "weltweiten Vergeltung" auf.
  • Auch der Irak übte massive Kritik am amerikanischen Angriff.
  • Die USA forderten US-Bürger zur sofortigen Ausreise aus dem Irak auf.
  • Iraks Parlament will am Sonntag über die weitere US-Präsenz im Land entscheiden.
  • Israel versetzte aus Sorge vor Rache des Iran seine Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft, auch in anderen Staaten der Region wächst die Nervosität.
  • Russland kritisiert den Angriff massiv, Frankreich und China rufen zur Zurückhaltung auf.
  • US-Demokraten kritisieren Trumps Entscheidung als gefährlich, sie bemängeln auch die fehlende Erlaubnis durch den Kongress.
  • Die US-Republikaner verteidigen Trump.

Bagdad/Teheran/Washington – Bei einem US-Drohnenangriff nahe dem Flughafen von Bagdad ist einer der höchstrangigen iranischen Generäle getötet worden. Das US-Verteidigungsministerium bestätigte am späten Donnerstagabend (Ortszeit) den Tod von Ghassem Soleimani, des Kommandanten der iranischen Al-Quds-Brigaden, bei der Attacke. Auch der mächtige Gründer der schiitischen Kataib-Hisbollah-Milizen, Abu Mahdi al-Muhandis, wurde laut Meldungen getötet. Er galt als starker Mann der schiitisch-irakischen "Volksmobilisierungseinheiten" PMU, deren Vizechef er war. Zudem sollen sechs weitere Menschen bei dem Angriff umgebracht worden sein.

Das amerikanische Militär habe die Operation auf direkte Anweisung von US-Präsident Donald Trump ausgeführt, erklärte das Pentagon. Die Tötung sei eine "defensive Maßnahme" gewesen, um weitere Attacken auf amerikanische Kräfte in der Region zu verhindern. Soleimani habe aktiv an Plänen gearbeitet, um amerikanische Diplomaten und Einsatzkräfte zu attackieren.

Trump äußerte sich zum Angriff erst Stunden später. Erst schrieb er auf Twitter, der Iran habe zwar "nie einen Krieg gewonnen, aber nie eine Verhandlung verloren". Eine Interpretation dieser Worte stellte er nicht zu Verfügung. Stunden zuvor hatte er das Bild einer US-Flagge verbreitet – ohne Kommentar. Am späteren Freitagnachmittag (MESZ) erläuterte er, dass Soleimani für den Tod Tausender Amerikaner verantwortlich sei und die jüngsten Proteste angestachelt hätte. Außerdem wäre der Iran nicht "annähernd so traurig" über den Tod wie nun einige täten. Der General sei in seinem Land "verhasst und gefürchtet" gewesen.

Der Iran hätte im Irak außerdem über die vergangenen 15 Jahre viel zu viel Einfluss gewonnen.

Bereits in der Früh (Ortszeit) hatten die USA ihren Angriff damit begründet, dass Soleimani und die Al-Quds-Brigaden verantwortlich für den Tod von hunderten Amerikanern und Verbündeten seien. Er habe in den vergangenen Monaten Angriffe auf Stützpunkte von US-Verbündeten gesteuert und auch die gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad gebilligt. Ziel des Angriffs sei es, den Iran von künftigen Attacken abzuschrecken. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, die USA würden nun auf Deeskalation hinarbeiten, deutete aber nicht an, wie.

Der Iran kündigt Rache an

Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei hat Rache für den Tod Soleimanis geschworen. In einer am Freitag über Twitter verbreiteten Botschaft drohte Khamenei den "Verbrechern", die für den Tod Soleimanis verantwortlich seien, mit "schwerer Vergeltung". Der Kampf gegen die USA und Israel werde mit "doppeltem Ansporn" weitergehen.

Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif bezeichnete den US-Angriff als "extrem gefährliche" und "dumme Eskalation". Zarif verurteilte die Tötung Soleimanis am Freitag als "Akt des internationalen Terrorismus".

Auch ein Sprecher der iranischen Revolutionsgarden kündigte Rache für Soleimani an. In iranischen Medien hieß es, man solle nun besonderes Augenmerk darauf legen, was in Bagdad und Beirut passieren werde – aber Beobachter in den USA hielten in einem ersten Schritt etwa auch Cyberangriffe oder terroristische Angriffe auf Ziele, die mit den USA in Verbindung stehen, für möglich.

Iranische Medien meldeten, das Land habe seine Raketenstellungen auf US-Basen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Jordanien und Saudi-Arabien ausgerichtet. Bestätigt wurden diese Berichte vorerst aber nicht. Der Ölpreis stieg in Erwartung eines Konfliktes deutlich an. Die USA riefen ihre Bürger im Irak zur "sofortigen Ausreise" auf. In der Heimatstadt Soleimanis, Kerman, kam es zu großen Trauerkundgebungen, deren Bilder iranische TV-Sender ausführlich zeigten.

Anti-US-Miliz im Irak reaktiviert

Im Irak selbst kündigte der einflussreiche irakische Schiitenführer Muktada al-Sadr an, seine Mahdi-Miliz wieder zu reaktivieren. Über Twitter rief er die Kämpfer seiner vor gut einem Jahrzehnt offiziell aufgelösten Armee am Freitag auf, sich "bereitzuhalten". Während der jahrelangen US-Präsenz im Irak war die etwa 60.000 Mann starke Mahdi-Armee von Sadr lange der mächtigste Gegner der US-Truppen. Sadr – der sich mittlerweile zu einem irakischen Nationalisten gewandelt hat – sagte, der Schritt diene dazu, "den Irak zu verteidigen", sollte dies nötig werden.

Iraks Premier Adel Abdul Mahdi verurteilte ebenfalls den Angriff und sprach von einem staatlichen Mord und einem aggressiven Akt der USA. Die Souveränität seines Landes sei verletzt worden, die Attacke verletzte die Bedingungen für die Stationierung von US-Truppen in seinem Land. Auch Staatspräsident Barham Salih kritisierte den Angriff , rief aber auch alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Es gelte nun, das nationale Interesse des Irak an vorderste Stelle zu reihen. Der einflussreiche irakische Ayatollah Ali al-Sistani, ranghöchster schiitischer Geistlicher des Landes, ließ über sein Büro Ähnliches mitteilen. Alle beteiligten Parteien sollten sich nun "weise verhalten".

Das irakische Parlament will am Sonntag darüber abstimmen, ob die US-Truppen weiter im Land bleiben dürfen. Vize-Parlamentspräsident Hassan al-Kaabi empfahl, gegen die Präsenz der US-Truppen zu stimmen.

Einer der mächtigsten Männer des Iran

Soleimani war der prominenteste Vertreter und das bekannteste Gesicht des iranischen Militärs im Ausland. Die Al-Quds-Brigaden gehören zu den Revolutionsgarden (IRGC), einer Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte. Der Chef war direkt dem geistlichen Führer Khamenei unterstellt und hatte massiven Einfluss auf die Politik in der Region – laut Ansicht vieler Experten mehr als etwa Irans Präsident Hassan Rohani. Soleimani tauchte sowohl im Irak als auch im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien immer wieder an der Seite von schiitischen Milizen auf, die vom Iran unterstützt werden. Er galt auch als maßgeblich für die iranischen Aktionen gegen die sunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Irak und in Syrien. Sein Tod bedeutet einen neuen Höhepunkt im Konflikt zwischen den USA und dem Iran.

Schnelle Eskalation

Der Angriff ist Teil einer sich immer schneller drehenden Eskalationsspirale: Bereits am vergangenen Wochenende hatten die USA schiitische Milizen im Irak angegriffen. Bei der Attacke auf die Kataib-Hisbollah gab es 25 Tote. Sie war wiederum als Vergeltung für den Angriff auf einen US-Stützpunkt gedacht, bei dem ein US-Bürger getötet worden war.

Als Reaktion darauf drangen am Dienstag hunderte Demonstranten in Bagdads besonders gesicherte Grüne Zone ein, um die US-Botschaft zu stürmen. Mehrere Wachhäuschen wurden in Brand gesetzt, Mauern beschmiert und Brandsätze geworfen. Sicherheitskräfte drängten die Demonstranten jedoch zurück, bevor sie auf das Botschaftsgelände gelangen konnten. Die USA haben in der Folge 750 zusätzliche Mitglieder der US-Armee ins benachbarte Kuwait verlegen lassen.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in Israel

Russland übte massive Kritik an dem Angriff. "Der Mord an Soleimani wird die Spannungen in der Region massiv erhöhen", teilte der Kreml mit. Der Kreml kondoliere dem Iran zum Tod Soleimanis. Frankreich kündigte an, sich für Entspannung einsetzen zu wollen. "Es passiert derzeit das, was wir befürchtet haben, die Spannungen steigen an", sagte Vize-Außenministerin Amélie de Montchalin. Auch China rief zur Zurückhaltung auf.

Israels Premier Benjamin Netanjahu brach seine Griechenlandreise ab und erklärte, die USA hätten ein Recht auf Selbstverteidigung, weil Soleimani für den Tod zahlreicher unschuldiger Menschen verantwortlich sei und weitere Anschläge geplant habe.

In Israel wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv erhöht. Mehrere Touristenattraktionen wurden geschlossen, das Verteidigungsministerium rief die Chefs von Armee und Sicherheitsdiensten zu einer eiligen Besprechung zusammen. Die Chefs der Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Jihad im Gazastreifen haben die Tötung Soleimanis bereits verurteilt. Der libanesische Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah rief zur "weltweiten Vergeltung" auf.

"Stange Dynamit in einem Pulverfass"

Kritik kam indessen auch aus den USA selbst. Soleimani sei zwar für "unvorstellbare Gewalt" verantwortlich gewesen und die Welt sei ohne ihn besser dran, aber der US-Kongress habe den Raketenangriff in Bagdad nicht autorisiert, "und die Menschen in Amerika wollen keinen Krieg mit dem Iran", schrieb der Demokrat Adam Schiff auf Twitter. Die US-Truppen müssten nun gegen "die nahezu unvermeidliche Eskalation" geschützt werden. Auch die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, kritisierte den Angriff ohne Zustimmung des Kongresses und sprach von einer "gefährlichen Eskalation". Trumps möglicher Konkurrent im Rennen um die US-Präsidentschaft, Ex-Vizepräsident Joe Biden, teilte via Twitter mit, Trump habe "eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen".

Von republikanischer Seite wiederum wurde der Angriff verteidigt. Der Iran und seine Stellvertreter seien von den USA gewarnt worden, schrieb Senator Marco Rubio am Donnerstagabend auf Twitter. Sie hätten diese Warnungen jedoch ignoriert, weil sie geglaubt hätten, US-Präsident Trump sei wegen innenpolitischer Streitereien nicht handlungsfähig. "Sie haben sich schwer verkalkuliert", twitterte der Republikaner weiter.

Der Präsident benötige keine Zustimmung des US-Kongresses, um auf Angriffe gegen die US-Streitkräfte zu reagieren oder solche zu verhindern. An die Demokraten gerichtet twitterte Rubio: "Einige sind so von ihrem Hass auf Trump geblendet, dass sie behaupten, er habe etwas Unrechtmäßiges getan. Das ist verrückt." (mesc, bed, red, APA, 3.1.2020)