Regierungsprogramm: Kapitel "Wirtschaftsstandort"

Eines der Herzstücke von Türkis-Blau, die von Sebastian Kurz (ÖVP) ausgerufene Stärkung der Wirtschaft, hat nichts an Bedeutung eingebüßt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind im Großen und Ganzen eine Fortschreibung des alten Regierungsprogrammes. So steht der von vielen Branchen beklagte Fachkräftemangel unter dem Schlagwort "Fachkräfteoffensive umsetzen" in der Prioritätenliste wieder ganz oben – und damit wohl die Mangelberufsliste, die regelt, in welchen Berufen Bedarf an ausländischen Fachkräften besteht. Unter der ÖVP-FPÖ-Regierung war der erhöhte Zuzug ausländischer Arbeitskräfte kontrovers. Die Übergangsregierung hat sich allerdings auf verstärkte Zuwanderung unter diesem Titel verständigt. Mit Jahreswechsel hat das Sozialministerium die Mangelberufsliste auf 56 Bereiche ausgedehnt, daran dürfte weiter gearbeitet werden.

Rot-Weiß-Rot-Karte wird weiter reformiert

Auch eines der Lieblingsthemen der Wirtschaftskammer steht wieder auf dem Programm: die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Zuletzt wurden für die Zuzugsberechtigung für Nicht-EU-Bürger die Gehaltsgrenzen für Schlüsselkräfte gesenkt. Die Hoffnung, mittels Punktesystems vor allem qualifizierte Beschäftigte für den Arbeitsmarkt zu finden, hatte sich nicht erfüllt. Im Schnitt wurden rund 2000 Karten vergeben. Nun soll weiter reformiert werden, die Antragstellung etwa soll einfacher werden. Karriere mit Lehre – das Versprechen vieler Betriebe – zieht immer weniger Junge an. Deswegen will auch die neue Regierung das Schlagwort mit Leben erfüllen. Die Mittel sind so weit bekannt: Berufsbildung aufwerten und Lehrberufe modernisieren. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) will ihre begonnen Bemühungen fortsetzen.

Standortgesetz

Neben dem Zwölfstundentag zählten der Versuch, die Wirtschaft in die Verfassung zu schreiben, sowie das Standortentwicklungsgesetz zu den wichtigsten Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft. Das 2018 beschlossene Standortgesetz hat bekanntlich ein Nachspiel: Die EU-Kommission prüft, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleitet. Die angestrebte Verfahrensbeschleunigung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) von Großprojekten, denen durch das Gesetz Vorrang eingeräumt wird, ist derzeit Gegenstand der Prüfung. Im Regierungsprogramm steht es nun unter "Verfahrensbeschleunigung unter Wahrung hoher Qualität".

Auch ein schöner Refrain findet sich wieder: Entbürokratisierung, wer kennt das leidige Thema nicht. Diesmal gibt es zumindest eine Frist: Im ersten Halbjahr soll in jedem Ministerium ein Effizienzsteigerungsplan entwickelt werden. Entschlacken will man auch über die EU-Vorgaben hinausgehende Regelungen– Stichwort Gold-Plating. Der Prozess, die richtigen Paragrafen zu finden, hat schon im Jänner 2018 begonnen, 800 Fälle von vermutetem "Gold Plating" wurden gemeldet, davon kamen 500 Vorschläge von den Sozialpartnern. Eine Handvoll Gesetze wurde bereits angepasst. Auch das alte ÖVP-Ziel, die Veröffentlichungspflicht in Papierform im Amtsblatt der Wiener Zeitung abzuschaffen, findet sich wieder.

Weniger KöSt, weniger GmbH-Kapital

Die Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) kommt. Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) hat nicht ganz erreicht, was die Wirtschaft sich gewünscht hat: Der Steuersatz soll von derzeit 25 auf 21 Prozent sinken. Mahrer wollte "vorne einen Einser" haben. Unternehmertum forcieren, Gründergeist entfachen, Selbstständigkeit attraktiveren, Gründungen vereinfachen. Der alte Geist durchweht auch das neue Regierungsprogramm. Zu diesem Behufe wird auch wieder einmal an der GmbH herumgedoktert.

Es gab und gibt von Seiten der Politik schon zahlreiche Versuche, sie attraktiver zu gestalten. Das Deregulierungsgesetz, das mit Jänner 2018 in Kraft trat, schaffte die Möglichkeit eine GmbH mit nur einem Gesellschafter, der auch Geschäftsführer ist zu gründen – ohne Zuziehung eines Notars, sofern die Hälfte des benötigten Kapitals (17.500 Euro) eingezahlt wird.

Nun will man für innovative Start-ups eine neue Kapitalgesellschaftsform schaffen. Das GmbH-Mindeststammkapital soll auf 10.000 Euro gesenkt werden. Arbeitszimmer sollen steuerlich leichter abgesetzt werden können, geplant ist eine Pauschalierung. Auch die Freigrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) soll zunächst auf 1000 Euro angehoben werden. Im Sinne der Ökologisierung soll es in der Folge für besonders energiesparende GWG 1500 Euro geben. Auch die Investitionslust in die Start-up-Szene will man befeuern: Private Investoren sollen Verluste aus Beteiligungen in Start-ups künftig auch über mehrere Jahre hinweg mit anderen Einkünften gegenrechnen können.

Auch Unternehmensübergaben in der Familie sollen erleichtert und Abschreibungszeiträume angepasst werden, Potenziale zur "Senkung der Lohnnebenkosten ohne Leistungsreduktion" werden wieder einmal geprüft. (rebu)