Grünen-Chef Werner Kogler und Peter Pilz kennen sich seit Jahrzehnten. Im Wahlkampf waren sie Rivalen, jetzt warnt Pilz die Grünen.

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Als die Grünen im Jahr 1986 erstmals ins Parlament einzogen, war Peter Pilz dabei. Als sie 2017 erstmals rausflogen, nicht mehr: Da gründete er gerade seine eigene Liste, nachdem ihm grüne Delegierte den vierten Listenplatz verweigert hatten. Pilz' Liste Jetzt schaffte es in den Nationalrat, er war da schon längst ein Feindbild für viele Grüne. Dann tauchten Vorwürfe der sexuellen Belästigung auf, seine Liste fiel vor allem mit Streit auf – und zerbröselte gegen Ende der Legislaturperiode. Nun soll mit Alma Zadić eine ehemalige Jetzt-Abgeordnete Justizministerin werden. Peter Pilz will als Herausgeber von zackzack.at auch ihr auf die Finger schauen. Im Gespräch mit dem STANDARD warnt er die Grünen jedoch davor, den Regierungspakt anzunehmen.

STANDARD: Wenn Sie Delegierter am Bundeskongress wären, wie würden Sie abstimmen?

Pilz: Ich warne die grünen Delegierten: Wenn ihr zustimmt, schnappt die Kurz-Falle zu. Der einzig intelligente Ausweg ist, nachzuverhandeln und diesem Programm die blauen Giftzähne zu ziehen.

STANDARD: Ist der Regierungspakt aus Ihrer Sicht so schlecht?

Pilz: Die Grünen haben Kurz völlig überraschend das Vetorecht bei CO2-Steuern gegeben, da sie ohne Not die Einrichtung einer Taskforce akzeptiert haben – und sie haben selbst ihr Vetorecht im Migrationsbereich abgegeben, wo im Krisenfall ÖVP und FPÖ die Grünen überstimmen dürfen. Und sie machen mit der Sicherungshaft erstmals selbst FPÖ-Politik.

STANDARD: Es wird wohl auch Aspekte im Regierungsprogramm geben, die Ihnen gefallen?

Pilz: Es gibt einige grüne Farbtupfen, und jeder dieser konkreten grünen Punkte ist gut. Aber prinzipiell ist das ein türkises Regierungsprogramm.

STANDARD: Was ist mit dem umfassenden Transparenzpaket?

Pilz: Die vorgeschlagene Form der Rechnungshof-Kontrolle kann nie funktionieren, da der Rechnungshof nur anlassbezogen bei "begründetem Verdacht" prüfen soll. Aber das Element der Überraschung durch eine Stichprobenkontrolle ist bei der Kontrolle ja das Wichtigste. Davor hat die ÖVP zu Recht Angst.

STANDARD: Sie würden also nachverhandeln. Wer sagt, dass die ÖVP dann nicht sofort Türkis-Blau II beschließt?

Pilz: Kurz kann und will nicht weiter Türkis-Blau machen, weil er sich aus der internationalen Isolation befreien will. Außerdem möchte er die Grünen ruinieren, als dritte Partei nach SPÖ und FPÖ. Genau wie damals Schüssel.

STANDARD: Inwiefern?

Pilz: Als wir im Jahr 2002 über Schwarz-Grün verhandelt haben, wollte uns Wolfgang Schüssel (der damalige Bundeskanzler und ÖVP-Chef, Anm.) die Eurofighter reindrücken. Wir sind aufgestanden und haben gesagt: Das war's. Dasselbe macht Kurz nun mit der Sicherungshaft, die die Grünen überraschenderweise geschluckt haben.

STANDARD: Anlass war etwa der Mord an einem Beamten durch einen Asylwerber in Dornbirn.

Pilz: Wir haben bei dem Fall in Vorarlberg, aber auch beim Eisenstangen-Mord in Wien (als ein Asylwerber mit psychischen Problemen eine Wienerin tötete, Anm.) gesehen, dass es keine gesetzlichen Mängel gab, sondern schweres Behördenversagen. Die Sicherungshaft ist nicht notwendig, das ist kein Geheimnis.

STANDARD: Sie gehen mit Ihrer ehemaligen Partei hart ins Gericht.

Pilz: Ich mache den Grünen keine großen Vorwürfe – in der ÖVP sitzen einfach Profis, die einmal Zugeständnisse erlauben, die sie dann wieder zurückziehen. Spätestens ab der Fixierung des grünen Bundeskongresses für Samstag waren die Grünen extrem unter Druck. So ist es auch zu Fehlern wie der Pendelregierung gekommen.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Pilz: Ein Kanzler, zwei Regierungen: Großteils wird Kurz sein Programm mit den Grünen abarbeiten. Dazwischen wird er das grüne Beiwagerl gegen das blaue austauschen und gegen die Grünen regieren. Und dann wieder die nächste türkise Runde mit den Grünen drehen.

STANDARD: Was passiert Ihrer Meinung nach, wenn Türkis-Grün Realität wird?

Pilz: Aus "Zurück zu den Grünen" wird "Nie mehr Grüne", das sieht man schon jetzt nicht nur in den sozialen Medien. Aber ich will den Grünen nicht schaden. Nachdem wir mit Jetzt nicht mehr im Nationalrat sind, bleiben die Grünen als einzige ökologische und linke Alternative. Deshalb muss man verhindern, dass Kurz sie zur "Altpartei" macht und ihr wertvollstes Kapital zerstört: ihre Integrität. Der Bundeskongress muss jetzt entscheiden: Bei einem Ja zum Regierungsprogramm schnappt die Kurz-Falle endgültig zu. Bei einem Nein muss nicht nur Kogler gehen. Also bleibt nur ein Weg: der Beschluss, nachzuverhandeln und die blauen Giftzähne zu ziehen. (Fabian Schmid, 3.1.2019)