Die Verlagerung der Fracht von der Straße auf die Schiene gehörte noch bei jeder Regierung zu den Zielen. Der Erfolg ist überschaubar, lediglich der Lkw-Transport wächst.

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In der ÖBB hat das große Zittern begonnen. Denn der bevorstehende Machtwechsel zu Türkis-Grün lässt nicht nur unter Rot-Schwarz und Schwarz-Blau bestelltes Führungspersonal um seine Zukunft bangen. ÖBB-Generaldirektor Andreas Matthä, dessen Vertrag im Frühjahr zur Verlängerung ansteht, wird der roten Reichshälfte zugeordnet. Da der studierte Bahnbauingenieur und Betriebswirt als Auskenner gilt, dürfte seine Expertise gefragt bleiben, auch im Hinblick auf den angestrebten Einstundentakt in ganz Österreich. Finanzvorstand Arnold Schiefer ist dem blauen Lager zuzurechnen, verfügt ebenfalls über operative Bahnkenntnis und ist in komfortabler Position: Sein Vertrag läuft seit April und müsste ausgezahlt werden.

Zentrales Vehikel im großen Plan

Die neue grüne Führung im Verkehrsministerium hat große Pläne mit Österreichs größtem Mobilitätsdienstleister. Bei der Umsetzung der Verkehrspolitik wird die ÖBB im Koalitionspakt als zentrales Vehikel bezeichnet. Das klingt ambitioniert und bedeutet einen Systemwechsel. Bisher war es umgekehrt: Verkehrspolitische Maßnahmen orientierten sich nicht selten an den (finanziellen und technischen) Möglichkeiten und Bedürfnissen der ÖBB statt am Bedarf. Die wettbewerbliche Ausschreibung von Linienzugverkehren, wie in der EU-Richtlinie für gemeinwirtschaftlichen Verkehr allerspätestens ab 2033 vorgeschrieben, schoben die roten Verkehrsminister hinaus, um das Monopol der ÖBB im Nah- und Regionalverkehr zu perpetuieren.

Arnold Schiefer und Andreas Matthä müssen herausfinden, was der neue Eigentümer will.
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Nun gibt es Gelegenheit zur Sanierung. Aufgrund eines Fehlers bei der Direktvergabe für 15 Jahre unter Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) musste Übergangsminister Andreas Reichhardt zur Notvergabe greifen, um die Pendlerzüge in der Ostregion wenigstens für ein Jahr am Laufen zu halten. Es geht im Zugverkehr um knapp 600 Millionen Euro pro Jahr. Die neue Regierung will "Direktvergaben nur unter der Voraussetzung der Marktkonformität der Vergabebedingungen", heißt es im Koalitionspapier. Wiewohl von der Westbahn angefochten: Direktvergaben sind marktkonform, aber nicht ad infinitum. Der Kompromiss könnte ein Fünfjahresvertrag mit der ÖBB sein, um die Staatsbahn auf Wettbewerb vorzubereiten. Geht die ÖBB bei Vergaben leer aus, muss der Transfer von Personal und Wagenmaterial an den neuen Betreiber vorbereitet sein.

Sanierungsplan für ÖBB-Güterbahn

Eine besondere Herausforderung für die mit Finanzverbindlichkeiten von 25 Milliarden Euro überladene ÖBB stellt die Vorgabe "Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere in den Marktsegmenten" dar. Die ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria (RCA) schafft zwar schwarze Zahlen, die Jahre der Hochkonjunktur sind an der RCA allerdings vorbeigezogen, der Schienengüterverkehr fällt gegenüber dem Lkw-Transport seit Jahren zurück. Ein Sanierungsplan wurde erst im Herbst in Angriff genommen. Weichenstellungen für die angestrebte Verlagerung von der Straße auf die Schiene sind dringend gesucht.

Neue Zeiten brechen für ÖBB und Konkurrent Westbahn an.
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Ambitioniert scheint die Vorgabe im Regierungsprogramm, ÖBB-Markterlöse in den Personennahverkehr zu reinvestieren. Ein Großteil der sogenannten Markterlöse der ÖBB-Personenverkehr AG stammt aus den vom Staat bestellten Pendler- und Fernverkehrsverbindungen. Damit wird Rollmaterial angeschafft, das für den gemäß Verkehrsdienstverträgen mit den Bundesländern bestellten Pendlerverkehr nötig ist.

Zweifelhaft erscheint die Idee, den Schienenverkehr zu attraktivieren, indem die Schienenmaut drei Jahre lang nicht erhöht wird. Das ließe die Einnahmen der für Bahnbau- und -betrieb zuständigen ÖBB-Infrastruktur erodieren. Eine Senkung der Energieabgabe würde die ÖBB-Infra entlasten. Kommt die angedachte Zweckbindung der so ersparten rund 30 Millionen Euro zugunsten einer Stützung von Fahrkartenpreisen, wäre das Geld aber wieder perdu. (4.1.2020)