Foto: Heyne

Wie besessen hatte sie Anleitungen für Jailbreaks angesehen, war einer Fährte zu immer gefährlicheren Videos gefolgt und hatte schließlich eines entdeckt, das ihr den Weg zum Download der Darknettools wies, mit denen sie die richtigen Websites erreichen konnte, wo man neue Firmware bekommen, Tipps und Beschwerden austauschen und sich mit Tausenden gesetzlosen Anarchisten vergnügen konnte, die wie sie selbst alles toasteten, worauf sie gerade Lust hatten.

Es ist also eine ganz neue Definition von "Anarchist", mit der uns Cory Doctorow in seinem jüngsten Werk gleichermaßen zum Lachen und Schaudern bringt. Anlassfall ist der der jungen Immigrantin Salima im Boston der nahen Zukunft. Die steht eines Tages ohne Frühstück da, weil der Toaster nur Brot von einem Partnerunternehmen des Herstellers akzeptiert. Als dieses wegen fahrlässiger Finanzgebarung pleite geht, bleibt der Nachschub aus und der Toaster stellt die Arbeit ein. Auf die Kunden – pardon: Berechtigten, die Benutzung des Geräts ist ja ein Privileg – wird geschissen. Aber das lässt Salima nicht auf sich sitzen.

Großartiger Beginn

Das erste Kapitel der satirischen Novelle "Wie man einen Toaster überlistet" ist eine wahre Tour de Force durch den Kapitalismus moderner Prägung: Profitgier und fehlendes Verantwortungsgefühl. "Smarte" Technologien im Haushalt und Automatisierung. Update- und Feature-Schwemmen fern jeder Notwendigkeit. Internetzensur und Datenkraken. Sprachliche Schönfärbereien der New Economy. Zweifelhafte Patentregelungen und brutales Durchsetzen von Copyrights. – Kurz, es geht um all das, was Autor und Aktivist Cory Doctorow in Büchern wie Blogs seit vielen Jahren thematisiert, verdichtet im humorvollen Symbol eines Toasters. Die Komik, die sich daraus ergibt, kann und soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie nah das vermeintlich absurde Szenario der Novelle an unserer gegenwärtigen Wirklichkeit ist.

Doch bekanntlich ist auch die nächste Revolution immer nur drei Mahlzeiten entfernt. Salima hackt erst den Toaster, dann den Geschirrspüler (der nimmt natürlich auch nicht jeden Billigteller vom Flohmarkt!). Und sie gibt ihr Wissen an ihre Nachbarn – allesamt Einwanderer mit wenig Geld – weiter. Es ist der Beginn einer fröhlichen kleinen Revolte, doch irgendwann schlägt das Imperium zurück.

Salima und uns wird das Lachen vergehen, wenn die Gegenseite Maßnahmen zu ergreifen beginnt. Als kleinen Vorgeschmack haben wir da schon von einigen ausgesuchten Bosheiten zu lesen bekommen, mit denen sich die Protagonisten herumgfretten dürfen. So musste der Eigentümer von Salimas Wohnblock zwar im Austausch für Fördergelder ein paar Sozialwohnungen in seinem Gebäude einrichten. Doch tut er alles, um den Billigmietern das Leben schwer zu machen. Sie bekommen beispielsweise nur dann Zutritt zu den Aufzügen, wenn diese nicht gerade von einem "Vollzahler" benutzt werden. Was ungefähr nie der Fall ist und Salima & Co regelmäßig dazu zwingt, zu Fuß in den 34. Stock hochzulatschen. Noch einfacher kann man die Zwei-Klassen-Gesellschaft nicht illustrieren.

Bedingt belletristisch

Die zweite Hälfte des Buchs kann die Verve des Anfangs leider nicht vollständig weitertragen. Der trotzig-hoffnungsvolle Ton schlägt in einen deutlich ernsteren um, zudem häufen sich Stellen, in denen die didaktische Absicht das Literarische überwiegt. Das eine oder andere Gespräch wirkt dann etwas schwerfällig, weil es offensichtlich nur dazu dient, die Leser im Umweg über die Protagonisten mit einem zentralen Begriff vertraut zu machen (etwa dem Digital Millennium Copyright Act von 1998). Es fallen Sätze mit Parolen-Charakter wie: Sie wollte die Computer in ihrer Umgebung kontrollieren, statt von ihnen kontrolliert zu werden.

Das ist natürlich keine Überraschung. Doctorow schreibt über das, was ihn bewegt (und was uns alle in Bewegung setzen sollte). Mal tut er es in Form eines Blogeintrags oder Fachartikels – mal tarnt er es als Geschichte. Großteils ist es auch eine gute Tarnung, nur manchmal schimmert das wahre Wesen eben durch. Was, um es noch einmal ausdrücklich zu betonen, keinesfalls eine inhaltliche Kritik ist, sondern nur eine formbezogene. "Wie man einen Toaster überlistet" liest man am besten wie alles aus Doctorows Schaffen: als Denkanstoß. Und wer gerne noch etwas mehr davon hätte: Auf Englisch ist gerade erst der Band "Radicalized" erschienen, der diese Erzählung und drei weitere thematisch ähnliche Novellen enthält.