Die Delegierten bei der Abstimmung.

Foto: Matthias Cremer

Ulrike Lunacek, Alma Zadić, Leonore Gewessler, Rudi Anschober und Werner Kogler beim Feiern auf der Bühne.

Foto: Matthias Cremer

Salzburg – Das Ergebnis war am Ende des fünfstündigen Bundeskongresses der Grünen im Salzburger Kongresshaus sehr eindeutig: 93,18 Prozent sagten am Samstag Ja zur türkis-grünen Koalition. Österreich bekommt damit seine erste türkis-grüne Bundesregierung. Trotz der teils deutlich geäußerten Kritik aus den eigenen Reihen gab es nur 15 Gegenstimmen und drei Enthaltungen zum Regierungspakt mit der ÖVP.

Auch das grüne Regierungsteam wurde mit einer Zustimmung von 99,25 Prozent und nur einer Gegenstimme abgesegnet. Dass das Ergebnis des Bundeskongresses besser als erwartet ausfallen könnte, hatte sich schon beim Einmarsch des Verhandlungsteams angekündigt. Es wurde mit Standing Ovations durch die Delegierten, Applaus und vereinzelt Jubel begrüßt. Die 29 Delegierten des erweiterten Bundesvorstands hatten am Freitagabend die Koalition mit der ÖVP bereits einstimmig abgesegnet.

"Die österreichischen Grünen sind reif für diese Zeit"

Die Rede von Werner Kogler dauerte, wie erwartet, doppelt so lang wie geplant. Fast eine Stunde lang verteidigte der Parteichef das Verhandlungsergebnis: "Wir haben es uns nicht so leicht gemacht, wie manche vielleicht vermuten", war Kogler bemüht, den Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen. Und der Parteivorsitzende kündigte weitere Gespräche im ersten Quartal 2020 mit den aktuell besonders kritischen Tiroler Grünen und der Grünen Jugend an.

ORF

Die nächsten Jahre Opposition zu machen wäre bequemer gewesen – aber man habe sich für Verhandlungen entschieden, so Kogler: "Ob es wegweisend ist, wissen wir nicht. Es ist ein Risiko, es ist klassische Pionierarbeit. Aber wir wollen diesen Weg jetzt gehen." Und über seinen Partner: "Sebastian Kurz ist ja kein Erzkonservativer, sondern ein Neukonservativer." Kogler versicherte auch, auf den Frauenbereich zu schauen und bei der Migration immer kritisch weiterzuarbeiten. "Wir haben das Gewissen nicht an der Garderobe abgegeben", betonte der Parteichef.

"Entschlossen, kampfeslustig und zuversichtlich"

"Es gibt keine hundertprozentige Gewissheit über die Zukunft, das hat die Zukunft so an sich. Aber Zukunft wird aus Mut gemacht – wir sind entschlossen, kampfeslustig und zuversichtlich. Es ist die Zeit gekommen – es ist auch unsere Zeit. Wir, die österreichischen Grünen, sind reif für diese Zeit", sagte Kogler zum Abschluss. Abschließend überreichte er die grüne Brille, die er über den gesamten Wahlkampf hindurch trug, der Tochter seiner Lebensgefährtin.

Sebastian Kurz und Werner Kogler freuen sich auf die Zusammenarbeit.

Danach hatten sich die Verhandler Birgit Hebein, Josef Meichenitsch, Sigi Maurer, Rudi Anschober, Alma Zadić und Leonore Gewessler an ihre Zeitvorgabe von fünf Minuten zu halten. Sie stellten auszugsweise Punkte des Programms vor, an denen die "grüne Handschrift" sichtbar werde. Zum vielkritisierten Thema Asyl sagte Anschober: "Wir haben rund 30 Grauslichkeiten rausverhandelt. Ohne Grüne wären diese Grauslichkeiten in den nächsten Jahren gekommen."

Kritik und "Grauslichkeiten" im Programm

Das Wort "Grauslichkeiten" bedienten dann auch einige Delegierte in der Debatte – doch auch für die Dinge, die noch im Regierungsprogramm stehen. Besonders kritisch äußerte sich die Grüne Jugend, von der wohl auch einige der Gegenstimmen kamen. Flora Lebloch erklärte, sie könne das Programm nicht mittragen. "Kurz ist ein Blender, ein eiskalter Schwindler." Scharfe Kritik an dem Programm kam auch von den Grünen Andersrum und dem sogenannten "zehnten Bundesland", in dem die ethnischen Minderheiten bei den Grünen vertreten sind.

Andere Delegierte sahen das differenzierter, etwa Verhandlerin Eva Blimlinger: "Natürlich gibt es da grausliche Dinge drinnen. Wir werden die Krot aber nicht schlucken. Wir sind ja keine Froschmörder. Aber wir werden sie unter Kontrolle halten."

Pragmatisch unterwegs: Eva Blimlinger.
Foto: Matthias Cremer

Die Europaabgeordnete Monika Vana betonte, dass Europa auf die Entscheidung der Grünen schaue. "Ginge es nur um diesen Text, würde mir die Zustimmung schwerfallen. Aber es geht um eine Weichenstellung nicht nur für Österreich, sondern auch für Europa. Alle, die den rechten Vormarsch und der Orbánisierung etwas entgegenhalten wollen, die schauen auf uns." Sie hatte damit nicht unrecht. Beim Bundeskongress waren auch Vertreter von Botschaften und viele internationale Medien anwesend.

Nach den Abstimmungen schwenkten Kogler und die designierten Regierungsmitglieder Gewessler, Anschober, Zadić und Lunacek Blumensträuße. Zum Abschied versprach Kogler eine neue, jedenfalls grüne Welt.

Maurer will Klubchefin werden

In dieser neuen, grünen Welt wird aller Voraussicht nach Maurer dem künftigen Vizekanzler als Chefin des Parlamentsklubs nachfolgen. Sie stehe für diese Funktion zur Verfügung, sagte sie am Samstagabend in der "ZiB 2 Spezial". Dafür müsse sie erst vom Klub gewählt werden. Offen ließ die derzeit stellvertretende Klubvorsitzende, ob die im Regierungsprogramm vereinbarte verfassungskonforme Sicherungshaft von den Grünen tatsächlich umgesetzt wird. (Stefanie Ruep, Markus Rohrhofer, red, 4.1.2020)