Passionierte Autofahrer glauben gerne, dass ihnen autonome Autos niemals – oder zumindest nicht so schnell – das Wasser reichen können. Was etliche Millionen an unfallfreien Testkilometern nicht schaffen, erreichen aber vielleicht die aktuellen Videos des autonom gesteuerten, perfekt driftenden 1981er DeLorean einiger Stanford-Forscher: die Einsicht, dass das Lenkrad schon in den nächsten Jahren abgegeben werden sollte, weil Algorithmen schlichtweg Autos besser steuern können.

Für den Test wurde der alte DeLorean um einen Überrollkäfig ergänzt, der zum Glück nicht benötigt wurde.
Stanford

Unter der Leitung der Maschinenbauingenieure John Goh und Chris Gerdes entwickelte ein Team des renommierten Dynamic Design Lab der US-Eliteuniversität einen Algorithmus, der binnen Sekunden die perfekte Driftroute für einen rund ein Kilometer langen Parcours errechnet. Der Einsatz eines knapp 40 Jahre alten DeLoreans hat dabei eher stilistische und weniger praktische Gründe – auch wenn die fehlenden modernen Assistenzssysteme den Forschern in die Karten spielten. Im Gegensatz zu modernen autonomen Autos, die Hindernisse mittels Kameras und Lidars erkennen, erhielt der DeLorean seine Informationen allerdings per GPS-Daten. Zwei Antennen auf dem Dach des Kultautos lieferten die zentimetergenaue Position des Fahrzeugs.

Ohne auch einen einzigen Pylon oder einen Strohballen zu berühren raste und driftete der auf einen Elektromotor umgebaute "Marty" dann fehlerfrei durch den Parcours. Umstellungen von großen Radien mit hoher Geschwindigkeit auf kleine Radien mit weniger km/h waren dabei scheinbar kein Problem. Zahlreiche Motorsportler und Drift-Profis zeigten sich in ersten Reaktionen beeindruckt und bangten scherzhaft bereits um ihre Jobs.

Mit bis zu 40 Grad Seitenlage driftete der DeLorean um die Kurve.
Foto: Jonathan Goh

Faktor Sicherheit

Tatsächlich geht es den Forschern aber weniger darum, mit Motorsportlern zu konkurrieren, als künftige autonome Fahrzeuge sicherheitstechnisch zu verbessern. Das Ziel laute, plötzlich auftretenden Menschen oder Tieren ausweichen zu können und dennoch nicht die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Oder um rutschige oder eisige Oberflächen besser zu meistern. "Wir wollen, dass das Auto alle Unfälle vermeidet, die im Rahmen der physikalischen Möglichkeiten vermeidbar sind", sagt Gerdes.

Goh sieht im komplexen Drift-Vorgang besonders hohes Lernpotenzial für autonome Fahrzeuge, weil die üblichen Parameter plötzlich anders zu bewerten sind. "Das Lenkrad beeinflusst auf einmal die Geschwindigkeit, das Gaspedal die Rotation und die Bremse kann beeinflussen, wie schnell der Richtungswechsel stattfindet", erklärt Goh. Nur äußerst wenige Menschen könnten diesen Zustand der Instabilität gut meistern. Genau von diesen Drift-Profis schauten sich die Forscher ihr Verhalten ab und programmierten und optimierten daraufhin den Algorithmus. Es gehe darum, ein Auto in seiner stabilsten und instabilsten Form steuern zu können und in all den Szenarien die dazwischen liegen, sagt Goh.

Stanford

Ein besonderer Vorteil der Maschine im Gegensatz zum Menschen ist etwa die Geschwindigkeit. In weniger als einer Sekunde kann die gesamte Rotation des Lenkrads genützt werden und so sehr viel schneller reagiert werden. Was im Test noch nicht berücksichtigt wurde, in Zukunft aber problemlos umzusetzen wäre, sei etwa die Fertigkeit, auf einzelnen Reifen getrennt voneinander zu bremsen oder zu beschleunigen und so die Grenzen der Physik noch weiter auszuloten, so die Forscher. Die modernen Fahrassistenten hemmen – aus Selbstschutz – die menschlichen Piloten ja in ihren Möglichkeiten der Fahrzeugsteuerung. Autonomie hingegen könnte das gesamte Spektrum zur Vermeidung von Unfällen einsetzten – wenn denn der Mensch bereit ist, das Lenkrad an die Maschine abzugeben. (Fabian Sommavilla, 10.1.2020)