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Linz – Seit der Wahl von Kurt Waldheim im Jahr 1986 hat keine Präsidentschaftswahl die Wählerschaft derartig stark und nachhaltig gespalten wie jene des Jahres 2016. Zur Erinnerung: Alexander Van der Bellen war damals mit 53,8 Prozent der gültigen Stimmen Sieger der Dezember-Stichwahl geworden – die Wählerschaft von Norbert Hofer, der die Wiederholung der Stichwahl vom Frühjahr erzwungen hatte, war tief enttäuscht.

Und dieses Stimmverhältnis hat sich noch zwei Jahre lang in den Umfragen, die das Linzer Market-Institut für den STANDARD durchführt, niedergeschlagen. Market fragte nach der Zufriedenheit mit dem Wahlergebnis und bekam unmittelbar nach der Wahl von 29 Prozent der Befragten die Rückmeldung, sie seien "sehr zufrieden", 24 Prozent bezeichneten sich als immerhin "zufrieden". In Summe ergab das also etwa jene 53 Prozent, die für Van der Bellen gestimmt hatten.

Market-Institutsleiter David Pfarrhofer resümiert: "Das ist ungewöhnlich. Meist hat ein Bundespräsident nach etwa einem Jahr im Amt eine recht breite Mehrheit hinter sich. Bei Van der Bellen war das anders: Noch in drei weiteren Umfragewellen hat sich da wenig getan, im Dezember 2018 waren nur 24 Prozent sehr und 35 Prozent teilweise zufrieden – die gesamte Zustimmung ist bis dahin also nur um vier bis fünf Prozentpunkte gestiegen."

Die Ereignisse des Jahres 2019 haben da alles geändert: Zur Halbzeit der Präsidentschaft sind 45 Prozent sehr und weitere 30 Prozent überwiegend zufrieden. Der Anteil der gar nicht zufriedenen Befragten ist von ursprünglich 26 auf zwölf Prozent gesunken.

Enttäuschte Freiheitliche

Die Verteilung der Zufriedenen und Unzufriedenen folgt klaren Altersmustern – ältere Befragte sind signifikant zufriedener damit, dass Van der Bellen Bundespräsident geworden ist. Auffallend ist auch, dass Van der Bellen von höher gebildeten Wahlberechtigten eine überdurchschnittlich hohe Zustimmung erhält.

Ganz deutlich ist auch, wer mit Van der Bellen unzufrieden ist: 59 Prozent der FPÖ-Anhänger sind gänzlich, 24 Prozent überwiegend unzufrieden mit der Wahl des amtierenden Bundespräsidenten.

Bundespräsident für alle Österreicher

Viel deutlicher als noch vor einem Jahr ist die Zustimmung zur Aussage, dass Van der Bellen "ein Bundespräsident für alle Österreicherinnen und Österreicher" sei. Dem stimmte im Dezember 2018 nur ein Drittel der Befragten voll und ganz zu – jetzt ist es schon die Hälfte.

Pfarrhofer: "Dieser Punkt dokumentiert, wie sehr sich die Bevölkerung durch das Staatsoberhaupt vertreten fühlt. Und auch hier sieht man, dass sechs von zehn FPÖ-Wählern meinen, der Bundespräsident sei eben nicht der Ihre."

Die höchste Zustimmung erhält der Amtsinhaber bei der Aussage: "Bundespräsident Van der Bellen bemüht sich bei der Regierungsbildung um die Interessen der Republik." Dem können 49 Prozent voll und 24 Prozent teilweise zustimmen. Dieses Ergebnis – kurz vor Abschluss der Regierungsverhandlungen erhoben – wird durch die hohe Zustimmung zur türkis-grünen Koalition beflügelt.

Das gleichlautende Statement wurde schon im März 2018 nach Bildung der türkis-blauen Regierung einem repräsentativ ausgewählten Sample von Wahlberechtigten vorgelegt – damals stimmten nur 22 Prozent voll und 37 Prozent teilweise zu. Selbst kurz nach Bildung dieser umstrittenen Koalition waren die freiheitlichen Wähler unzufrieden mit Van der Bellens Rolle bei der Regierungsbildung, jetzt sind sie umso mehr dagegen, dass die türkis-grüne Zusammenarbeit seine Zustimmung erhalten hat.

Ganz am untersten Ende der Skala stehen die Aussagen, dass Van der Bellen für eine persönliche Enttäuschung stehe – und auch hier sind es die FPÖ-Wähler, die vermutlich keine Stimme für den heutigen Bundespräsidenten abgegeben haben, die sich enttäuscht von ihm zeigen. (Conrad Seidl, 19.1.2020)