Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebsart unter Männern. Ein PSA-Screening ohne Verdacht auf eine Tumorerkrankung ist allerdings nicht zu empfehlen, heißt es vonseiten des deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

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Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) prüfte, ob Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs ein Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test angeboten werden sollte. Nach Auswertung der Studienlage kommt das Institut zu dem Ergebnis, dass der Nutzen einer solchen Reihenuntersuchung den damit verbundenen Schaden nicht aufwiegt: Zwar nutzt das Screening einigen Männern, indem es ihnen eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder verzögert. Im Gegenzug müssen aber deutlich mehr Männer wegen Überdiagnosen und Übertherapie mit dauerhafter Inkontinenz und dauerhafter Impotenz rechnen, und das in relativ jungem Alter. schreiben die Autoren des Berichts.

Das Prostatakarzinom ist eine bösartige Veränderung der Prostata, die mit Fortschreiten der Erkrankung das unmittelbar benachbarte Gewebe – etwa Samenblase, Harnblase oder Dickdarm – infiltrieren und Fernmetastasen bilden kann. Gemessen an der Neuerkrankungsrate zählt das Prostatakarzinom in Deutschland und Österreich zur häufigsten Tumorerkrankung des Mannes. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 72 Jahren, vor dem 45. bis 50. Lebensjahr tritt das Prostatakarzinom kaum auf.

Häufigste Krebserkrankung von Männern

Im Jahr 2017 starben in Deutschland knapp 14.000 Männer an den Folgen eines Prostatakarzinoms, in Österreich waren es den Daten der Statistik Austria zufolge rund 1.200 Männer. Vom Screening des Prostatakarzinoms verspricht man sich die Entdeckung von Prostatakarzinomen mit einem hohen Progressionsrisiko in einem heilbaren Stadium, um die Morbidität – etwa Schmerzen wegen Knochenmetastasen – und die Sterblichkeit zu reduzieren. Derzeit kommen vor allem zwei Screening-Tests auf das Prostatakarzinom zum Einsatz: die digital-rektale Untersuchung und der Test auf das prostataspezifische Antigen (PSA).

Für die IQWiG-Nutzenbewertung wurden elf randomisierte kontrollierte Studien mit mehr 400.000 Probanden ausgewertet. Die Studienteilnehmer waren zwischen 55 und 70 Jahre alt, der Beobachtungszeitraum lag zwischen 13 und 20 Jahren. In allen Studien verglichen die Studienautoren ein Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test mit keinem Screening auf ein Prostatakarzinom.

Metastasierte Krebserkrankungen verhindern

Die Auswertung der Daten zeigte, dass ein Screening mittels PSA-Wert einigen Patienten nützt, indem es ihnen eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder verzögert. Hiervon profitieren durchschnittlich etwa drei von 1000 Patienten innerhalb von zwölf Jahren. Unklar bleibt, ob das Screening dabei zu einer nennenswerten Lebensverlängerung von Patienten führt. Zwar bewahrte ein PSA-Screening statistisch gesehen drei von 1000 Patienten innerhalb von 16 Jahren vor dem Tod durch ein Prostatakarzinom, eine Änderung der Gesamtsterblichkeit ließ sich in den Studien nicht nachweisen.

Wie kann das sein? Da der Anteil der Prostatakarzinomtode an der Gesamtsterblichkeit gering ist, ist es einerseits statistisch schwierig, mit den Studien einen Unterschied in der Gesamtsterblichkeit zu zeigen, andererseits ist es dadurch aber auch nicht unwahrscheinlich, dass die in der Regel älteren Männer, die durch ein PSA-Screening vor dem Tod durch Prostatakrebs bewahrt werden, ohnehin zu einem vergleichbaren Zeitpunkt an einer anderen Ursache sterben.

Überdiagnosen und falsch-positive Ergebnisse

Die ausgewerteten Studien zeigten auch, dass ein PSA-Screening bei Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs häufig zu Überdiagnosen und falsch-positiven Befunden führt. "Dabei stellt für die überdiagnostizierten Männer allein die Diagnose einer potenziell tödlichen Erkrankung einen Schaden dar", schreiben die Autoren. Hinzu kommen Belastungen durch eine unnötige Prostatabiopsie und eine eigentlich nicht erforderliche Therapie.

Zu den möglichen Komplikationen der Therapie zählen Impotenz und Inkontinenz, die in vielen Fällen nicht reversibel sind. In konkreten Zahlen: Von einer dauerhaften Inkontinenz durch ein PSA-Screening waren der Studie zufolge zusätzlich drei von 1000 Männern betroffen, außerdem drohte 25 von 1000 Männern eine dauerhafte Impotenz. Auch Männer, denen der PSA-Test ein falsch-positives Ergebnis lieferte, profitierten nicht vom Screening. Sie erfahren ausschließlich einen Schaden in Form eines besorgniserregenden Testergebnisses, das eine unnötige Prostatabiopsie nach sich zieht, betonen die Experten.

Mehr Schaden als Nutzen

Der Anteil der Screeningteilnehmer, bei denen im Studienverlauf trotz positivem PSA-Test letztlich kein Prostatakarzinom bestätigt wurde, lag zwischen 22 und 26 Prozent. Nach Prostatabiopsien traten in den Studien bei etwa zwei Prozent der Männer Komplikationen auf. Das IQWiG kommt zu dem Ergebnis, dass ein Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test wegen Überdiagnosen deutlich mehr Männern schadet als nützt. Die Wissenschafter ziehen daraus den Schluss, dass "Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs kein organisiertes Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test angeboten werden sollte."

Die digital-rektale Untersuchung war nicht Gegenstand der aktuellen Nutzenbewertung. Es gibt allerdings keinen Grund anzunehmen, dass diese besser in einer Bewertung abschneiden würde als der PSA-Test, so die Studienautoren. (red, 8.1.2020)