Die American Music Awards im vergangenen November waren ein denkwürdiger Moment, auch in modischer Hinsicht. Melissa Jefferson, unter ihrem Spitznamen Lizzo bekannt geworden, federte in einem Volantkleid von Valentino über den roten Teppich. Dem pfirsichfarbenen Designerteil wurde die Show allerdings von einer Handtasche gestohlen, die diese Bezeichnung kaum verdient: Das auf drei Stück limitierte Modell war gerade einmal fingernagelgroß.

Sogar Lizzos gewaltiger Bühnenauftritt konnte nicht mit der Social-Media-Welle, die das mickrige Accessoire auslöste, mithalten. Unzählige Memes fluteten die sozialen Netzwerke, der Handtasche wurde sogar ein eigener Twitter-Account gewidmet: "Lizzo's Tiny Bag" hat heute mehr als 4.000 Follower, von solchen Zahlen kann so mancher österreichische Journalist nur träumen.

Lizzo mit Mikrotasche von Valentino.
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Lizzo kommentierte auf Instagram die Größe ihres exklusiven Täschchens, in dem ganz sicher kein Platz für Puder oder Lippenstift ist, mit "bag big enough for my fucks to give". Manche lasen darin ein feministisches Statement. Das deutsche Magazin "Monopol" zum Beispiel verstand das funktionslose Täschchen als Absage an die Handtasche, jenen "Vorratsraum weiblicher Schönheit, die nicht ohne Ausbesserung auskommt".

Diese Interpretation mag übers Ziel hinausschießen, was aber in jedem Fall zu beobachten ist: Die Mikrohandtasche, populär gemacht von dem französischen Designer Simon Porte Jacquemus, ist omnipräsent.

Klitzeklein, aber oho: die Minitaschen von Jacquemus.
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Sie führt vor, dass die einstige Cashcow der Modeindustrie nicht nur an Größe, sondern auch an Gewicht verliert: Das Jacquemus-Modell Le petit Chiquito ist ein hübsches Spielzeug für Instagram, dafür aber außerstande, ein Smartphone zu transportieren.

Ist das noch eine Handtasche? Mini-Accessoire aus der Frühjahrskollektion 2020 von Balenciaga.
Foto: Balenciaga

Ein amerikanisches Marktforschungsinstitut hat unlängst quasi das Ende der It-Bag diagnostiziert: Die Handtaschenverkäufe seien in den USA seit 2016 um zwanzig Prozent eingebrochen. Währenddessen laufen Kopfhörer den Gucci-Bags den Rang ab.

Opening Ceremony macht gerade Werbung mit einer XL-Tasche.

Die Modeunternehmen haben die Misere bereits erkannt. Warum sonst blasen sie jetzt die Handtasche wieder auf XL-Größe auf? Das New Yorker Label Opening Ceremony zeigte zum Beispiel gerade auf seinem Instagram-Kanal eine riesige, kanariengelbe Tasche, die nicht übersehen werden will. Bildunterschrift: "Ja, sie ist so groß wie auf dem Foto." (Anne Feldkamp, 9.1.2020)