Elisabeth Bakambamba Tambwe: "Die Leute haben Angst vor ihren eigenen Schatten. Da geht es nicht um schwarze Menschen, sondern du zeigst als Projektion einen Teil ihrer Realität, die sie fürchten."

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Transformationen von Klischees, die Paradoxa der Wahrnehmung und die wahren Bilder hinter jenen, die auf medialen Strömen einherrauschen, sind die Spezialitäten der Künstlerin Elisabeth Bakambamba Tambwe.

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Das neue Jahr ist jung, die Wiener Künstlerin und Choreografin Elisabeth Bakambamba Tambwe kommt voll Elan auf ihrem rosa Fahrrad zum Studio des Brut-Theaters. Dort probt sie für ihre neue Performance Carré Noir, in der es um das berühmte Bild Das Schwarze Quadrat (1915) des russischen Avantgardisten Kasimir Malewitsch geht.

Tambwe zählt zu den Fixsternen der Wiener Tanzszene. Während der 15 Jahre, die die 1971 in Kinshasa geborene Kongolesin in Österreich lebt, hat sie ihre Arbeiten ebenso bei den Wiener Festwochen wie beim Festival Impulstanz, dem Steirischen Herbst oder dem Donaufestival gezeigt.

Sie ist mit einem Österreicher verheiratet, hat zwei Kinder und bringt Energie, Offenheit und Wachsamkeit mit zum Gespräch. Es ist nicht ihre Natur, sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen: "Ich habe eine große Klappe, ich bin laut, das entspricht nicht der österreichischen Gesellschaft." Wie es kommt, dass sie hierher übersiedelt ist? Es war die Liebe wie bei vielen ihrer Kolleginnen aus der Wiener Tanzszene.

Kein Land der Träume

Beim Blick zurück schildert sie, wie sie 1975 mit ihrer Familie aus Kinshasa – "dort bin ich zwar geboren, aber meine Eltern kommen aus der kongolesischen Provinz Kasaï" – verschwinden musste. Der Vater hatte Jus studiert, auch in Frankreich. Er war gerade von dort zurückgekommen, um im Regierungsumfeld zu arbeiten, als Berichte von Verhaftungen die Runde machten. "Es stellte sich heraus, dass kürzlich drei Leute namens Tambwe gestorben sind. Sie haben nach jemandem mit dem Namen Tambwe gesucht."

Die Eltern setzten sich mit ihren vier Kindern erst nach Belgien ab und siedelten sich dann im nordfranzösischen Lille an. Erst kam die Begeisterung: "Frankreich, das Land der Menschenrechte, der Diversität, Liberté, Egalité, Fraternité – all das machte uns glauben, wir kommen ins Land der Träume, ein Eldorado, in dem alles möglich sein würde." Dann die Ernüchterung: "Als Erstes hat man in der Schule von uns verlangt, dass wir aufhören, unsere Sprache zu sprechen." Tambwes Muttersprache ist Tschiluba, ihre Umgangssprache Lingala, denn "wir sind Teil der Ethnie der Baluba", die auch im kongolesischen Distrikt Kasaï beheimatet ist.

Elisabeth besuchte in Lille eine katholische Privatschule. Es war entmutigend, die Schülerin beschloss, sie würde nie die französische Nationalität für sich akzeptieren, verabschiedete sich von der Kirche und wechselte an eine öffentliche Schule. Dort begann sie sich für Kunst zu interessieren. Nach der Matura studierte sie an der École des Beaux-Arts im neben Lille liegenden Tourcoing. Sieben Jahre nach dem Abschluss 1998 kam sie nach Wien.

Wiener Aktionismus

"Ich habe zwei Jahre gebraucht, um mich zu entschließen", erzählt sie. "Als ich gekommen bin, hatte ich sehr bald mein erstes Baby. Also war es wichtig, die Dynamik dieses Landes zu verstehen. Ich fand die Lebensqualität gut, und dann habe ich realisiert, dass das Land früher keine Kolonien hatte." Tambwe bewunderte den Wiener Aktionismus, aber von dessen Widerstandsgeist fand sie nicht viel vor. Eher das Gegenteil.

Tambwe nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Von Rassismus spricht sie trotzdem nicht, aber: "Hier haben die Leute Angst vor ihren eigenen Schatten. Da geht es nicht um schwarze Menschen, sondern du zeigst als Projektion einen Teil ihrer Realität, die sie nicht loswerden und fürchten anzuschauen." Die Österreicher fürchteten um den Verlust ihrer Lebensqualität: "Sie lieben es, sich zu fürchten." Als "Schüler der Angst" erwiesen sich viele Künstler: "Weil sie keine wirklichen Kämpfer sind, warten sie auf Geld, und das macht sie zu Sklaven des Subventionssystems."

Transformationen von Klischees, die Paradoxa der Wahrnehmung und die wahren Bilder hinter jenen, die auf medialen Strömen einherrauschen, sind die Spezialitäten der Künstlerin. Ihre neue Performance Carré Noir ist eine begehbare Installation, in der auch Théodore Géricaults Gemälde Das Floß der Medusa von 1819 mit seinem Motiv des Schiffbruchs eine Schlüsselrolle spielt. (Helmut Ploebst, 8.1.2020)