V. li.: Marco Di Sapia (als Dancaïro), Vincent Schirrmacher (als Don José), Stepanka Pucalkova (als Carmen) und Johanna Arrouas (als Frasquita) in der Volksoper.

Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Kaum, dass zum Jahreswechsel die obligaten Fledermäuse vorbeigeflattert sind, orientiert sich die Volksoper gen Süden – mit Carmen. In Guy Joostens altgedienter Inszenierung kommentierten die Soldaten in Sevilla das zivile Fußvolk auf Deutsch sowie mit einer leisen Siesta-Schläfrigkeit. Auch Carmen schien von der narkotischen Grundstimmung angesteckt: Stepanka Pucalkova (von der Dresdner Semperoper) legte die renitente Zigarettendreherin bei ihrem Hausdebüt eher als Salondame an. Das Herbe, Gefährliche blieb oft ungelenke Pose. Da überzeugte ihr sinnlicher, feiner Mezzo mehr.

In der Interaktion mit ihrem Don José wirkte sie in den Streitszenen glaubwürdiger als in Liebesbelangen. Verständlich – agierte Vincent Schirrmacher doch mit der schauspielerischen Geschmeidigkeit eines Schwarzenegger. Körpersprachlich erinnert er an einen verschlossenen, aggressiven Kleinkriminellen. Das passte zur Schmugglerkarriere im dritten Akt und zum Mörder im vierten. Den charismatischen Sergeant nahm man ihm nicht ab. Leider setzte er auf vokalem Gebiet zu sehr auf Kraftgesang.

Deutlicher Unterschied

Das zweite Hausdebüt absolvierte Luke Stoker: Der Australier (fix an der Düsseldorfer Oper am Rhein) lieh dem Escamillo seinen geschmeidigen Bariton und verstand den Stierkämpfer mit Stolz und Selbstbewusstsein darzustellen. Jederzeit glänzend geführt, jedoch nicht in jeder Lage glänzend timbriert: Julia Kocis Sopran (Micaëla). Amüsant und souverän: Johanna Arrouas und Ghazal Kazemi als Frasquita und Mercédès. Das Volksopernorchester klang unter der Leitung von Anja Bihlmaier zu Beginn schlecht ausbalanciert, süß der Jugend- und Kinderchor. Begeisterter Applaus für eine seltsame, unrunde Aufführung, die den Qualitätsunterschied zum Schwesterhaus am Kärntner Ring deutlich machte. (Stefan Ender, 7.1.2020)