Der steigende Meeresspiegel bedroht das einstige Pazifikparadies "Pleasant Island" und bringt dadurch auch ein outgesourctes Flüchtlingslager Australiens in Gefahr.

Foto: Bea Borgers

Wieder haben Belgier im Tanz die Nase vorn – diesmal mit dem Thema Umweltzerstörung. Obwohl das Brüsseler Künstlerduo Silke Huysmans und Hannes Dereere nicht direkt aus dem choreografischen Bereich kommt, sind die beiden Performer seit einigen Jahren dort präsent, wo interdisziplinärer Tanz gezeigt wird. Ihre neue Arbeit Pleasant Island wurde im Mai 2019 beim renommierten Brüsseler Kunstenfestivaldesarts uraufgeführt und gastiert jetzt am Tanzquartier Wien.

Europaweit bekannt wurden Huysmans und Dereere mit ihrer Dokuperformance Mining Stories, die 2018 auch bei Impulstanz zu sehen war. 2015 war in der brasilianischen Region Minas Gerais der Damm eines Absetzbeckens gebrochen, das zu einer Erzmine des Betreibers Samarco Mineração, Teil des Großkonzerns Vale, gehörte. Ein giftiger Brei aus Arsen, Quecksilber, Blei, Kupfer und Aluminium überschwemmte Wohngebiete, ergoss sich in den nahegelegenen Rio Doce und vergiftete diesen über eine Länge von 660 Kilometern.

Triste Verhältnisse

Bereits im Folgejahr wurde Mining Stories als künstlerische Aufarbeitung der Ursachen und Folgen dieser Katastrophe uraufgeführt. Makabres Nachspiel: Im Jänner 2019 ereignete sich abermals ein Dammbruch in einem Abbaugebiet derselben Firma. Diesmal waren 300 Todesopfer zu beklagen. Das weckt Erinnerungen an den Kolontár-Dammbruch eines Deponiebeckens des Unternehmens Magyar Alumínium im Oktober 2010. Dort waren zehn Menschen ums Leben gekommen.

Nicht weniger ernst ist nun das Thema der neuen Dokuperformance Pleasant Island. Dafür haben sich Silke Huysmans und Hannes Dereere im Sommer 2018 auf der Pazifikinsel Nauru umgesehen. Bis zum Ende der britisch-australischen Kolonialherrschaft 1968 wurde der Phosphatreichtum Naurus hemmungslos geplündert. Heute herrschen triste Verhältnisse auf dem Eiland.

Performatives Smartphone

Die australische Regierung hat dort gegen Bezahlung Flüchtlingslager eingerichtet, und der steigende Meeresspiegel bedroht das einst von Walfängern als "Pleasant Island" bezeichnete frühere Pazifikparadies, dem nun der Spitzname "Vanishing Island" anhaftet.

Huysmans und Dereere haben Interviews mit den Bewohnern geführt – unter schwierigen Bedingungen, denn der Bevölkerung ist es verboten, über die Refugee-Camps zu sprechen. Journalisten werden jegliche Auskünfte verweigert. Was also bei Pleasant Island zu hören und sehen ist, hat besonderen Dokumentationswert.

Die Performance zeigt eine Komposition aus der Rekonstruktion seiner Entstehungsgeschichte, der Ästhetik des von dem Künstlerpaar verwendeten Mediums Smartphone und dem Auftritt von Huysmans und Dereere als Zeugen und Vermittler. Leider stellt das Tanzquartier nur eines seiner Studios für diese wichtige Arbeit zur Verfügung. (Helmut Ploebst, 7.1.2020)