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Russlands Präsident Wladimir Putin besuchte Bashar al-Assad.

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Auch der Mariamitischen Kathedrale von Damaskus stattete Russlands Präsident einen Besuch ab.

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Im Iran geriet das Begräbnis für General Soleimani zu einer Tragödie

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Geopolitische Verwerfungen hatten sich die USA vom Drohnenangriff auf den iranischen General Ghassem Soleimani erwartet – und geopolitische Verwerfungen haben sie nun. Vorerst sind es allerdings nicht jene, die sich Washington erhofft hatte: Das irakische Parlament hat die US-Truppen zum Verlassen des Landes aufgerufen, Russland schickt sich an, die Lücke mit Waffenverkäufen an Bagdad zu füllen – und Präsident Wladimir Putin unterstrich seinen Anspruch auf eine gewichtige Rolle in der Region am Dienstag mit einem Überraschungsbesuch bei Syriens Machthaber Bashar al-Assad in Damaskus. Die EU ist unterdessen über Washington verstimmt – und im Iran scheint die Tötung Soleimanis vorerst zu einem Schulterschluss geführt zu haben.

Bei der Trauerkundgebung gab es allerdings auch Anlass zu neuer Trauer, denn bei den Begräbnisfeiern für Soleimani ist es am Dienstag zu einer Tragödie gekommen. Bei einer Massenpanik in Soleimanis Heimatstadt Kerman kamen laut Angaben der iranischen Behörden mindestens 56 Menschen ums Leben, mehr als 200 wurden verletzt. Die Zahl der Opfer könnte noch weiter steigen, hieß es in den Medienberichten.

Ruf nach Rache

Menschenmengen hatten sich zuvor dort versammelt, so wie am Vortag schon in der Hauptstadt Teheran waren die wichtigsten Straßen mit Trauernden gefüllt. Der Ruf nach Rache ertönt immer deutlicher. General Ali Shamkhani, Mitglied des iranischen Sicherheitsrats, betonte, dass der Iran 13 amerikanische Ziele im Visier habe. Auch wenn nur das geringste dieser Ziele tatsächlich ausgewählt würde, wäre das schon ein "Albtraum für die USA".

Die Sympathiebekundung für General Ghassem Soleimani kommt von allen Schichten der Bevölkerung. Selbst Frauen ohne Kopfbedeckung waren bei der Trauerzeremonie zu sehen, was sogar im Fernsehen gezeigt wurde. Iranische Zeitungen zitierten auch Berichte aus US-Medien, wonach mehrere Amerikanerinnen und Amerikaner iranischer Herkunft an der Grenze von Kanada an der Einreise gehindert und lange befragt worden seien. Diese Berichte haben auch US-amerikanische NGOs bestätigt.

Reagiert hat auch Irans Parlament. In einer Reaktion auf den Anschlag haben die Parlamentarier am Dienstag mit großer Mehrheit die US-Streitkräfte auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt und die Zahlung von 200 Millionen Euro an die Revolutionsgarden genehmigt.

Trump droht kulturellen Zentren

Die Medien im Iran kritisieren vor allem die Haltung Europas. Die Zeitung "Aftab" schrieb, dass der letzte Schritt des Iran, alle Atomverpflichtungen, die vor fünf Jahren in Wien vereinbart wurden, außer Acht zu lassen, die Antwort auf die Unfähigkeit Europas sei. Die EU agiere nur als machtlose US-Marionette.

Auf die Drohung Donald Trumps, kulturelle Zentren im Iran anzugreifen, wurde dort mit Entsetzen registriert. Die Zeitung "Etemad" schrieb, Trump habe sich auf die gleiche Stufe wie die Taliban und der "Islamische Staat" (IS) gestellt. Es gibt auch Stimmen, die zur Besonnenheit rufen. Dass Iraks Parlament nach dem Angriff beschlossen habe, die Streitkräfte nicht mehr im Land zu dulden, sei die beste Rache an den USA, so der Chef der oppositionellen Freiheitsfront, Mehdi Khasali.

Dieser Beschluss hatte in der Nacht auf Dienstag für viel Aufregung gesorgt. US-Medien hatten einen Brief der US-Armee an das irakische Gegenüber zitiert, wonach der Rückzug bereits im Gange sei. Erst eine Stunde später wurde dies vom Pentagon dementiert. Es habe sich bei dem Schreiben um einen Entwurf gehandelt, der Rückzug sei nicht bereits im Gange, eine Entscheidung sei auch noch gar nicht gefallen.

Am Dienstag erklärte US-Verteidigungsminister Mark Esper dann, er habe vom Irak keine Aufforderung zum Abzug der US-Truppen erhalten. Die Resolution des irakischen Parlaments, die Washington zum Abzug seiner Soldaten aufgefordert hatte, sei nicht bindend, so Esper auf einer Pressekonferenz im Pentagon.

Europäer wollen deeskalieren

Die Zuspitzung der Lage hat nach dem Wochenende die wichtigsten EU-Partner aufgescheucht. Am Dienstag reisten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens kurzfristig nach Brüssel, um über mögliche Maßnahmen zu beraten. Das Bündnis beschloss, einige Truppen aus dem Irak abzuziehen – aus Sicherheitsgründen, wie es hieß.

Die EU als Institution ist bei solchen drohenden militärischen Konflikten mangels Kompetenz und Truppen weitgehend machtlos. Viele EU-Staaten sind auch über die unklare Haltung der Amerikaner bezüglich des Abzugs verärgert – mehrere Länder, darunter Deutschland, stellten ja ebenfalls Truppen für die Anti-IS-Koalition im Irak. Berlin zog nun vorerst Soldatinnen und Soldaten aus dem Land ab. Auch Kroatien verlegte seine Truppen nach Kuwait.

Der Nato-Rat unterstützt indes die Europäer bei dem Versuch, eine weitere Eskalation in der Region zu vermeiden. Das Gremium entschied am Dienstagnachmittag bei seiner Sitzung, einen Teil der Soldaten des Bündnisses aus Sicherheitsgründen aus dem Irak abzuziehen.

Moskau bietet Luftabwehrsystem an

Europa sieht sich als Schutzpatron des Atomabkommens mit dem Iran, das die Regierung in Teheran – so wie zuvor die USA – aufgekündigt hat. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief zur Zurückhaltung auf, appellierte an Teheran, von Gewalt und destabilisierenden Aktionen im Irak abzusehen. Die Nato führt eine eigene Mission im Irak zur Ausbildung von Sicherheitskräften im Kampf gegen den IS.

Russland hingegen hat den Angriff auf Soleimani schnell verurteilt. Der russische Staatschef betonte am Dienstag bei seinem Überraschungsbesuch in Damaskus, sein Land habe gemeinsam mit Syrien und dem Iran "phänomenale Fortschritte" bei der Bekämpfung des IS gemacht. Dem Irak hatte sein Land zuvor schon ein deutliches Angebot gemacht. Wenn das Land künftig seinen Luftraum schützen wollte, teilte die Agentur RIA Novosti mit, könne es bald Luftabwehrsysteme vom Typ S-400 in Moskau kaufen. (Amir Loghmany aus Teheran, Thomas Mayer aus Brüssel, Manuel Escher, 7.1.2020)