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2001 waren Bundesheersoldaten erstmals in Bosnien eingesetzt, seit 2004 erfolgt dieser Einsatz unter EU-Flagge.

Foto: AP/Softic

Wien – Eines zu betonen wurde der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) rund um EU-Volksabstimmung und EU-Beitritt nicht müde: "Österreich geht als neutrales Land in die EU." Diese Feststellung war vor allem deshalb wichtig, weil in der Wählerschaft insbesondere zwei Bedenken gegen den Beitritt zur Union herrschten: Der Beitritt könne für die Bauern Erschwernisse und für die Neutralität das Ende bedeuten.

Mit der Landwirtschaft argumentierten die eher konservativen EU-Skeptiker, mit der Neutralität eher die Anhänger von SPÖ und Grünen. Und das zu einer Zeit, als der Kalte Krieg gerade zu Ende gegangen war und einige frühere Mitglieder des Warschauer Pakts sich für eine Nato-Mitgliedschaft zu interessieren begannen. Eine Market-Umfrage für den STANDARD ergab im Mai 1993, dass das höchste Interesse an den Beitrittsverhandlungen zur damaligen EG lautete: "Verhandlungsziel muss sein, dass die Neutralität durch den EG-Beitritt nicht gefährdet wird."

WEU blieb ohne Bedeutung

Als dann nach positiver Volksabstimmung der EU-Beitritt vollzogen wurde, blieb Österreich formell neutral, bekam aber per Jänner 1995 Beobachterstatus bei der Westeuropäischen Union (WEU), einem Beistandspakt der EU-Staaten, der laut der zitierten Umfrage vom Mai 1993 von 66 Prozent der österreichischen Bevölkerung abgelehnt wurde.

Die WEU war schon damals unbedeutend, ab dem Jahr 2000 gab es dann keine Sitzungen mehr. 2010 wurde die WEU aufgelöst, ohne dass das besondere Aufmerksamkeit erregt hätte. Stattdessen gab es in Österreich alle paar Jahre eine – stets fruchtlose – Diskussion, ob das Land vielleicht der Nato beitreten sollte. Damit verbunden war einerseits das Liebäugeln mit einer transatlantischen Bindung (abhängig davon, wie populär der jeweilige US-Präsident gerade in Österreich war) und andererseits die vage Hoffnung, dass internationalisierte Wehrpolitik billiger sein könnte als das ohnehin zu schwach ausgestattete Bundesheer.

Im Schatten der Nato-Diskussion

Im Schatten der in der breiten Öffentlichkeit geführten Diskussionen über eine Nato-Mitgliedschaft begann Österreich aber weitreichende Sicherheitskooperationen im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) einzugehen. Hatte sich das Bundesheer bis dahin – abgesehen von humanitären Hilfseinsätzen – international nur in Blauhelmmissionen der Uno engagiert, so begann 1999 die bis heute dauernde Beteiligung an der Nato-geführten Kosovo-Truppe KFOR.

Ebenso beteiligte sich Österreich an der Eufor-Truppe in Bosnien, und ab 2002 nahmen österreichische Soldaten im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden (PfP) auch an Nato-Manövern teil. In Nato-Operationen eingebunden zu sein wurde für die österreichischen Militärs zur Normalität. Österreichs Innenpolitik war in jenen Jahren der schwarz-blauen Koalition so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass etwa der erste Einsatz in Afghanistan unter Nato-Führung gar nicht aufgefallen ist. Und ebenso wenig ist aufgefallen, dass österreichische Soldaten sich bei solchen Einsätzen immer wieder durch Heldentaten ausgezeichnet haben – dass ein Bundesheersoldat im Afghanistan-Einsatz 2015 eine US-Tapferkeitsmedaille erhalten hat, war in der heimischen Öffentlichkeit kaum ein Thema.

Kein Trittbrettfahren mit Pesco

Generalmajor Johann Frank von der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium sagt im STANDARD-Gespräch: "Den Vorwurf, wir seien sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer, kann man uns nicht mehr machen."

Immerhin hat Österreich viermal Truppenteile für die EU-Battlegroups eingemeldet (auch wenn diese nie eingesetzt wurden), es ist unter den Top-drei-Nationen bei internationalen Truppenstellungen, hat 25 Stabsoffiziere bei der EU und nimmt an sieben der 47 Pesco-Projekte teil – und das alles mit einem der weltweit geringsten Verteidigungsbudgets.

Pesco steht für "Permanent Structured Cooperation" – ein von der EU 2017 aufgelegtes Programm zur militärischen Zusammenarbeit.

Formal bleibt Österreich auch damit neutral, wie Vranitzky versprochen hatte: Es ging neutral in die EU – ähnlich wie eine Jungfrau, die jungfräulich in die Ehe geht. (Conrad Seidl, 9.1.2020)