Welche Länder und Städte stehen auf der roten Liste des gefährdeten Weltkulturerbes der Unesco? Libyen wegen des Bürgerkriegs oder der Jemen wegen bewaffneter Konflikte. Wien wegen "rot-grünen Unvermögens". So sieht das zumindest die ÖVP. Die Mitglieder des Wiener Rathausklubs der ÖVP hielten kürzlich mit ernster Miene ein Schild in die Kamera, um darüber aufzuklären. Die Häme darüber, ein Hochhausprojekt mit Kriegszuständen zu vergleichen, war größer als das ursprüngliche Ziel der Fraktion: auf das Debakel der Wiener Stadtregierung in Sachen Umgestaltung des Heumarkt-Areals hinzuweisen.

Dabei weiß die Wiener ÖVP, was Oppositionsarbeit bedeutet. Seit beinahe 20 Jahren waren die Türkisen nicht in der Stadtregierung. Nach der rot-schwarzen Koalition konnte die SPÖ 2001 die absolute Mehrheit zurückgewinnen und brauchte keinen Partner mehr. Seit 2010 sind die Grünen am Zug. Bei der heurigen Wahl will die ÖVP nun wieder zulegen – gelingen soll das mit Spitzenkandidat Gernot Blümel, der am Dienstag jedoch auch zum Finanzminister angelobt wurde.

Gernot Blümel war bis zum Frühsommer Kanzleramtsminister, nun ist der Finanzminister.
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2015 hat Blümel den Vorsitz der Landespartei übernommen – mit dem Plan, die ÖVP Wien zu einer modernen, jungen Stadtpartei zu machen. Die Arbeit im Gemeinderat überlässt Blümel anderen. In seinem Team finden sich alteingesessene Politiker wie der ehemalige Klubobmann Fritz Aichinger oder Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec, die auch Präsidentin des Seniorenbunds ist. Und auch Jüngere kommen zum Zug im Rathaus, etwa Klubobfrau Elisabeth Olischar oder der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch.

Ohne Mandat mauserte sich Blümel zum Gesicht der Opposition im Wiener Gemeinderat. Das Thema Heumarkt spielte ihm dabei nicht unwesentlich in die Hände. Als Kanzleramtsminister für Kultur verschrieb er sich in der türkis-blauen Regierung dem Schutz des Weltkulturerbes und vermittelte zwischen Stadt und Unesco.

Als Opposition stürzten sich die Türkisen aber auch auf andere Verfehlungen und Skandale der Stadtregierung. Besonders auf der Untersuchungskommission zum Krankenhaus Nord lag einer ihrer Schwerpunkte. Und sie setzen eigene Themen, etwa die Schaffung von Tourismuszonen mit Sonntagsöffnung.

Verjüngte Bezirke

Insgesamt wurde die Wiener ÖVP in den vergangenen Jahren unter Blümel deutlich jünger, was auch in den Bezirken zu sehen ist. Nach zehn Jahren als Bezirksvorsteherin der City wechselte Ursula Stenzel 2015 die Seiten und trat für die FPÖ an, was den Blauen ein überdurchschnittliches Plus im Ersten einbrachte. Stenzels Nachfolger bei der ÖVP, Markus Figl, musste hingegen zittern. Mit einem Minus von 12,9 Prozentpunkten und einem Endergebnis von nur 25,7 Prozent lag die ÖVP in der City knapp vor der SPÖ mit 24,2 Prozent. Im Bezirksparlament halten die Parteien seither jeweils zehn Mandate.

Der vor fünf Jahren noch relativ unbekannte Spitzenkandidat hat mittlerweile stark an Profil gewonnen. Ob im Kampf gegen den Verlust von Anrainerparkplätzen, die von der Stadt beschlossene Begegnungszone in der Rotenturmstraße oder die Fiakerfahrer, die für das kaputte Pflaster in seinem Bezirk verantwortlich sein sollen: Figl tritt auf, mischt sich ein und macht auf sich aufmerksam. Und inszeniert den Ersten gekonnt als gallisches Dorf im Kampf gegen die rot-grüne Stadt.

Weitaus unauffälliger ist hingegen Daniel Resch. Im Oktober 2018 übernahm er das Amt von Bezirksvorsteher Adolf Tiller, der seit 1978 in Döbling regiert hatte. Im Achten hingegen gehört eine von den Jüngeren schon fast zu den alten Hasen: Veronika Mickel-Göttfert bringt derzeit ihre zweite Amtsperiode hinter sich.

Sebastian Kurz und Gernot Blümel gelten als enge Vertraute.
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Das Debakel von 2015 soll nicht wiederholt werden. Vor fünf Jahren fuhr die ÖVP ein historisches Tief ein. Die Volkspartei erhielt in der Bundeshauptstadt nur 9,2 Prozent. Der damalige Spitzenkandidat Manfred Juraczka pochte im Wahlkampf auf die Rechte der Autofahrer und positionierte sich damit als Konterpart zu den Fahrrad- und Öffi-freundlichen Grünen. Aufgegangen ist diese Strategie nicht, die ÖVP verlor, und der damalige Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zog die Ökopartei erneut als Partner vor.

Auch die Linie bei der Wahl 2010 funktionierte nicht. Spitzenkandidatin war die ehemalige Familienstaatssekretärin Christine Marek, die stets als eher liberale Kraft im ÖVP-Lager galt. Ihr wurde von Wahlkampfstrategen ein strenger "Law and Order"-Kurs übergestülpt, sie forderte etwa einen Arbeitsdienst für Langzeitarbeitslose und fuhr nur 14 Prozent ein. Auch der Wahlkampf der Jungen ÖVP in Wien wurde 2010 belächelt. Der damalige Jungpolitiker Sebastian Kurz posierte auf dem "Geilomobil".

Alte Glanzstunden

Doch die Stadtpartei hat auch erfolgreiche Jahre erlebt. Von 1976 bis 1989 war Erhard Busek Obmann der Schwarzen in Wien. Legendär sind die "Bunten Vögel", die er um sich scharte. Damals formierte sich gerade die Umweltbewegung, der Busek noch die ÖVP schmackhaft machen konnte. 1978 bis 1987 war er Vizebürgermeister und Landeshauptmann-Stellvertreter von Wien. Bei der Wahl 1983 erreichte er 34,8 Prozent der Stimmen, 1987 28,4 Prozent.

An diese Zeiten anzuschließen dürfte selbst mit dem Kurz-Bonus schwierig werden. Zumal seit 2015 die Neos in Wien mitmischen. Sie fischen wie die ÖVP im konservativen Lager und kamen bei der letzten Wahl schon auf 6,2 Prozent der Stimmen. (Oona Kroisleitner, Rosa Winkler-Hermaden, 8.1.2020)