Bagdad/Teheran/Washington – Irakische Luftwaffenstützpunkte in Ain al-Asad und Erbil, auf denen US-Truppen stationiert sind, sind in der Nacht auf Mittwoch mit Raketen angegriffen worden. Die Raketen seien vom Iran aus abgefeuert worden, erklärte das US-Verteidigungsministerium. Ziel seien US-Truppen und deren Bündnispartner gewesen. Demnach handelte es sich um mehr als ein Dutzend Angriffe.

Der Iran bestätigte den Angriff, demnach ist die "Operation Märtyrer Soleimani" im Gange. Es handle sich um einen Vergeltungsangriff nach dem tödlichen US-Luftangriff auf den General Ghassem Soleimani in der irakischen Hauptstadt Bagdad am Freitag, teilten die iranischen Revolutionsgarden mit. Sie bezeichneten die Angriffe als "ersten Schritt" und kündigten an, "Amerikaner nicht zu verschonen".

Der iranische Außenminister bezeichnete die Raketenangriffe als Akt der Selbstverteidigung. Der Iran sei nicht auf Eskalation oder Krieg aus, werde sich aber gegen jede Aggression verteidigen.

Keine Toten unter irakischen Soldaten

Bei dem Angriff gab es unter den irakischen Streitkräften nach deren eigenen Angaben keine Toten. Es seien keine Verluste verzeichnet worden, meldete die Medieneinheit der irakischen Sicherheitskräfte Mittwochfrüh.

Unklar war zunächst, ob es auch keine Verletzen gab. Der Sender Sky News Arabia hatte zuvor gemeldet, dass fünf irakische Soldaten verletzt worden seien. Eine unabhängige Bestätigung gab es dafür nicht.

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US-Truppen an der Basis Ain al-Asad auf einem Archivbild.
Foto: Reuters / Thaier al-Sudani

US-Soldaten gewarnt

Die US-Soldaten wurden vor dem Angriff gewarnt und hatten Zeit, sich in Schutzbunkern in Sicherheit zu bringen, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf einen US-Militärangehörigen.

Statement Trumps am Mittwoch

US-Präsident Donald Trump kündigte an, sich am Mittwoch zu dem Angriff zu äußern. "Alles ist gut", verkündete er auf Twitter und verwies auf "das stärkste und am besten ausgestattete Militär überall auf der Welt, bei weitem!".

Die US-Luftfahrtaufsicht FAA untersagte US-Passagiermaschinen unterdessen das Überfliegen der Region. Zivile Flugzeuge dürften nicht mehr über den Irak, den Iran, den Persischen Golf und den Golf von Oman fliegen, teilte die FAA am Dienstagabend mit.

Ob es einen Zusammenhang zwischen der militärischen Eskalation und dem Absturz einer Boeing 737 bei Teheran mit 173 Passagieren an Bord gibt, ist noch unklar.

Iranisches Militär droht mit Angriffen auf Israel

Iranische Stellen warnten die regionalen Verbündeten der USA, dass auch sie zum Ziel werden, wenn Angriffe der USA auf den Iran von Basen in ihrem Gebiet ausgehen sollten. Die Agentur Tasnim schrieb zudem, die libanesische Hisbollah werde Ziele in Israel angreifen, falls die USA den Iran angreifen. Wenig später drohten die Revolutionsgarden für diesen Fall mit der "Zerstörung Dubais und Haifas". Man werde die Angriffe aber einstellen, wenn es keine Reaktion der USA gebe.

"Falls die Amerikaner eine Dummheit begehen, gerät das gesamte Gebiet des zionistischen Regimes (Israel) in Gefahr", sagte General Sanei Rad dem Nachrichtenportal Irib.news. Sanei ist auch Berater des obersten iranischen Führers Ayatollah Ali Khamenei.

Gleicher Zeitpunkt wie Soleimani-Tötung

Der proiranische Sender Al Mayeeden berichtete, dass die Raketen um 1.20 Uhr Ortszeit abgefeuert wurden– exakt zu jener Zeit, in der in der Nacht auf Freitag eine US-Drohne nahe dem Flughafen Bagdad ein tödliches Geschoß auf General Soleimani und sieben weitere Personen anfeuerte. Die Nachrichtenagentur Fars verbreitete ein Video, das den Raketenabschuss zeigen soll.

Später war von einer zweiten Angriffswelle die Rede. Mehrere Geschoße sollen laut einer Korrespondentin des Senders Voice of America in der Basis Taji eingeschlagen sein. Auch die iranische Nachrichtenagentur Tasnim berichtete später darüber.

Entgegen den vorsichtigen Schadeneinschätzungen der USA hatten die Revolutionsgarden mitgeteilt, die in einem Wüstengebiet gelegene Basis Ain Al-Asad sei vollständig zerstört worden. Der Angriff auf die "von den Amerikanern besetzte" Basis sei "in jeder Hinsicht ein voller Erfolg" gewesen. Die Revolutionsgarden sind die zweite Säule der iranischen Streitkräfte neben der regulären Armee. Soleimani war Kommandant der Quds-Brigaden, einer Eliteeinheit der Revolutionsgarden, die der Iran vor allem im Ausland einsetzt.

Ain al-Asad ist einer der wichtigsten US-Stützpunkte im Irak. Die Basis wurde unter anderem für den Besuch Trumps im Jahr 2018 genutzt, im November war US-Vizepräsident Mike Pence zu Gast.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, äußerte sich, bevor Trump ein Statement abgab. Sie teilte auf Twitter mit, dass es nun vorrangig sei, die Sicherheit aller US-Armeeangehörigen zu garantieren. Die US-Regierung solle "sinnlose Provokationen" einstellen und den Iran dazu auffordern, die Gewalt zu beenden. "Amerika und die Welt können sich keinen Krieg leisten", sagte Pelosi. Sie soll während einer Sitzung über die Angriffe informiert worden sein, laut US-Medien reagierte sie mit einem spontanen Gebet.

Warnung von EU-Botschafter im Irak

Der EU-Botschafter im Irak, der Deutsche Martin Huth, warnte unterdessen vor einem Stellvertreterkrieg des Iran der USA im Irak. "Der Irak verdient es nicht, Opfer eines Stellvertreterkrieges zu werden!", twitterte Huth in der Nacht auf Mittwoch. Mit den Angriffen verletze der Iran die Souveränität des Irak. Zuvor habe der Irak bereits einen Bruch seiner Souveränität beklagt, als die USA Soleimani in Bagdad töteten.

Die internationalen Märkte reagierten nervös. Japans Nikkei-Index fiel um zwei Prozent, der Ölpreis legte kurzfristig um 3,5 Prozent zu. (maa, mesc, red, APA, 8.1.2020)