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Tiere sind im türkis-grünen Regierungsprogramm vor allem eins: Essen. Abgehandelt wird das Thema Tierschutz auf eineinhalb Seiten mit der Überschrift "Die hohen Tierschutz- und LebensmittelStandards schützen". Tierfreundliche Haltungsformen sollen langfristig eingeführt werden, heißt es in dem Papier, allerdings stets im Einklang mit Entwicklungen auf dem Markt.

Besondere Beachtung finden im Unterkapitel "Tierschutz in der Landwirtschaft forcieren" Stelzen, Grillhühner und das Schnitzerl – oder, in lebendiger Form, Ferkel, Küken und Puten.

Ferkelkastration

Erstere sollen künftig nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Das zumindest scheint die Intention hinter dem Plan zu sein, Alternativen zum bisherigen Standard zu erforschen, um die "derzeitige Praxis abzulösen". Aktuell nämlich dürfen Ferkel, die jünger als sieben Tage sind, bei vollem Bewusstsein kastriert werden – eine Praxis, die Tierschützer seit Jahren kritisieren. Alternativen dazu gebe es schon jetzt, so erzielt etwa eine Impfung dasselbe Ergebnis wie die Kastration der Schweine: Sie verhindert den Ebergeruch, der beim Anbraten des Fleisches unkastrierter Eber entstehen kann.

Österreich würde mit einer Betäubungspflicht dem Nachbarland Deutschland zuvorkommen. Dort hätte diese im Jahr 2019 kommen sollen, sie wurde jedoch verschoben. In der Übergangszeit sollen deutsche Bauern ihre Ferkel selbst, also ohne Tierarzt, betäuben. Auch in Österreich argumentieren Gegner einer Betäubungspflicht damit, dass es zu wenige Tierärzte gebe, um all die jungen Ferkel zu narkotisieren, während diese kastriert werden – etwa zwei Millionen sind das jährlich.

Kükenschreddern

Fix kommen soll ein Verbot des Schredderns lebendiger Küken. Auch diese Idee ist nicht neu: Einem FPÖ-Antrag dazu wurde schon im Herbst 2019 im Nationalrat mehrheitlich zugestimmt. Die ÖVP hatte sich damals noch enthalten, da ihrer Meinung nach der blaue Antrag zu wenig die Interessen der österreichischen Geflügelzuchtbetriebe berücksichtigte. Sie brachte einen Abänderungsantrag ein.

Auch für die kleinen Küken gibt es bereits Alternativen. Mithilfe des sogenannten SELEGGT-Verfahren kann das Geschlecht bereits im Ei bestimmt werden, würde es angewandt werden, würden die männlichen Küken gar nicht erst zur Welt kommen.

Allerdings wird nur das Schreddern der Küken im Regierungsprogramm angeführt, nicht aber das Vergasen mit CO2. Das jedoch, so heißt es vom Tierschutzverein Vier Pfoten, sei weitaus öfter die Art, wie Küken getötet werden. Vom Tierschutzvolksbegehren wird das kommende Schredderverbot dennoch als "Meilenstein" begrüßt. Die SPÖ lobt, dass damit ihre eigenen Forderungen übernommen wurden, sagt aber, ansonsten hätte sich in Tierschutzbelangen "die Agrarlobby der ÖVP" deutlich durchgesetzt.

Putenmast

Gleich auf EU-Ebene will die österreichische Regierung die Haltungsbedingungen für Puten verändern. Sie will sich dafür einsetzen, dass "auf Wissenschaft basierende TierschutzmindestStandards" auf EU-Ebene eingeführt werden. Laut dem steirischen Verein Land schafft Leben würde knapp mehr als die Hälfte von dem Putenfleisch auf Österreichs Tellern aus dem Ausland kommen. Österreich könne aufgrund seiner hohen Standards preislich nicht mit dem internationalen Markt mithalten, heißt es vom Verein.

Die Linzer Geflügelmastgenossenschaft gibt mit der Berufung auf Brancheninsider an, dass etwa in Litauen bis zu doppelt so viele Puten, nämlich 80 Kilogramm, auf einem Quadratmeter gehalten werden – Österreich sei das einzige EU-Land, in dem der sogenannte Besatz bei Puten geregelt ist.

Schlachttransport

Den Weg zum neuen Besitzer beziehungsweise zum Schlachter soll laut Regierungsprogramm eine "Offensive zur Verbesserung des Tierwohls bei Tiertransporten" angenehmer machen. Unter diesem Punkt ist von zahlreichen Initiativen die Rede, etwa zur Weiterentwicklung von Standards und zur Reduktion von Tiertransporten in Drittstaaten.

Konkret wird der Text im Regierungsabkommen einzig bei den Schlachttiertransporten, diese sollen verboten werden. Außerdem sollen regionale und mobile Schlachthöfe gefördert werden.

Das angekündigte Verbot sei, so heißt es von Vier Pfoten, "ein kleiner Schritt in die richtige Richtung", betreffe jedoch nur einen Bruchteil der Tiere – die meisten würden zum Zwecke der Zucht transportiert werden. Enttäuscht zeigen sich bei diesem Punkt FPÖ und SPÖ, "ungenügend präzisiert" seien die Forderungen, moniert etwa die blaue Tierschutzsprecherin Marlies Steiner-Wiesner, ihr rotes Gegenüber, SPÖ-Tierschutzsprecher Dietmar Keck, bemängelt, es würden konkrete Änderungsvorschläge fehlen.

Was fehlt?

Einige Schlagworte, die zum Thema Tierschutz in der Vergangenheit provozierten, fehlen im Regierungsprogramm gänzlich: etwa Pelze, die Jagd oder Tierzirkusse. Auch das Schächten, das in der Vergangenheit vor allem von der FPÖ immer wieder ins Gespräch gebracht wurde, kommt nicht vor.

Bleibt noch eine Frage offen: Woher sollen Konsumenten wissen, wie gut es dem Tier ging, das sie auf dem Teller liegen haben? Da scheinen sich Türkis und Grün auf einen Kompromiss geeignet zu haben.

Zumindest in Großküchen, egal ob öffentlich oder privat, sollen Milch, Fleisch und Eier künftig Herkunftsbezeichnungen bekommen, in verarbeiteten Lebensmitteln soll die Pflicht dazu ab 2021 kommen. Geht es um die Gastronomie, ist allerdings nicht von einer Kennzeichnungspflicht die Rede. Dort soll ein freiwilliges Qualitäts- und Herkunftssicherungssystem umgesetzt werden. (Gabriele Scherndl, 10.1.2020)