Thomas Muster betreut Dominic Thiem heuer 20 Wochen lang.

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Thomas Muster ist ein Suchender. Eine gewisse Rastlosigkeit zeichnet den 52-jährigen Leibnitzer aus. Wobei er sich in der heutigen Welt ein bisserl schwertut, er lehnt zum Beispiel soziale Medien strikt ab. Twitter und Facebook sind ihm einfach zu blöd. Tennis hat er eine Zeitlang auch nicht gemocht, was für einen 44-fachen Turniersieger, der 1996 die Nummer eins war, außergewöhnlich ist. Er trat nie offiziell zurück. Schläger wollte er nach 1999 keine mehr angreifen, es sei denn, um sie zu zertrümmern.

Tennis ist für ihn extreme Arbeit gewesen, eine Überwindung, eine Selbstkasteiung. Anfang der 2000er legte Muster massiv an Gewicht zu, er dürfte die 100-Kilo-Schallmauer durchbrochen haben. Um einer Eskalation vorzubeugen, beschloss er, wieder Tennis zu spielen. Es ging wohl auch darum, sich mit der eigenen Vergangenheit zu versöhnen. Muster beehrte die Seniorentour, wurde Daviscup-Kapitän, bestritt Challenger.

Comeback

Am 26. Oktober 2010 erschien er nach zehnjähriger Pause auf der ATP Tour, in Wien unterlag er Andreas Haider-Maurer. Muster war damals 43. Er hat sich überhaupt nicht lächerlich gemacht, wurde vom Publikum gefeiert. 2011 war Schluss, er verlor ebenfalls in Wien gegen den aufstrebenden Dominic Thiem. Muster wurde gefeiert, der 18-jährige Thiem ignoriert.

Der Kreis hat sich geschlossen. Mittlerweile ist Thiem der Bejubelte, am Mittwoch gab er in Sydney bekannt, dass Muster heuer für 20 Wochen Teil des Betreuerstabs wird. Es ist kein Zufall und keine Sensation, er ist mit Thiems Manager Herwig Straka befreundet und geschäftlich verbunden. Muster lebte in Australien, jetzt wohnt er in Graz. Er hat aus erster Ehe einen Sohn, aus zweiter eine Tochter. Der Steirer hat den Luxus erwirtschaftet, Dinge auszuprobieren. Seine Modelinie war kein Heuler, der Weinanbau eher Hobby, er besitzt Immobilien. Und er liebt jetzt Tennis.

Musters Triumph, Thiems Triumph?

Thiem erwartet mit seinem neuen Zweitcoach "eine geile Zeit". Muster soll der letzte Baustein zum ganz großen Erfolg sein, er weiß, wie man ein Grand-Slam-Turnier gewinnt. Am 11. Juni 1995 schlug er im Finale der French Open Michael Chang 7:5, 6:2, 6:4. In seiner Autobiografie schreibt Muster: "Ich schaute aus dem Fenster des Flugzeugs, blickte runter auf Paris. Es wurde kleiner und immer kleiner. Und ich größer und immer größer. Ich lächelte, lehnte mich zurück. Auftrag erfüllt." Das Endspiel 2020 steigt am 7. Juni. Im Flieger wären noch zwei Plätze frei. (Christian Hackl, 8.1.2020)