Das straffe Programm rund um die Ministerräte von Türkis-Blau war gestern. Beim ersten Zusammentreffen der türkis-grünen Regierung im Kanzleramt herrscht ungewöhnliche Lockerheit. Nichts erinnert mehr an die berüchtigte rote Kordel im Steinsaal, hinter der der Medientross aus Kameraleuten, Tontechnikern und Journalisten einst Aufstellung nehmen musste, während die Minister von ÖVP und FPÖ in ihre wöchentliche Sitzung vorbeieilten oder nur für kurze Statements stehen blieben. Stattdessen dürfen am Mittwochvormittag sogar die Journalisten kurz in den großen Ministerratssaal kiebitzen, wo Kanzler Sebastian Kurz, sein Vize Werner Kogler und Co Platz genommen haben.

Rund um den ersten Ministerrat von Kurz, Kogler und Co herrschte ungewöhnliche Lockerheit: Anders als früher durften auch Journalisten kurz in den Ministerratssaal kiebitzen.
Foto: Matthias Cremer

Knapp eineinhalb Stunden dauert die erste Regierungszusammenkunft, ehe sich die Türen wieder öffnen. Den ersten Auftritt nach dem Ministerrat bestreiten Finanzminister Gernot Blümel und Kogler als Regierungskoordinatoren, um den türkis-grünen Budgetfahrplan zu erläutern. Kurz lässt sich nicht blicken, von ihm heißt es im Kanzleramt nur, dass er zwar regelmäßig, aber nicht mehr wöchentlich beim Pressefoyer erscheinen wird, weil damit die Fachminister stärker in den Mittelpunkt gerückt werden sollen.

Rückblick: Seit der Ära des roten Absolutisten Bruno Kreisky galt es als Usus, dass der Regierungschef nach dem Ministerrat in einem Presse-Briefing stets die drängenden aktuellen Fragen beantwortet. Erstmals gebrochen hat damit Kanzler Christian Kern (SPÖ), er ersetzte im Sommer 2016 den wöchentlichen Auftritt der Regierungsspitze kurzerhand durch ein "Debriefing" der Koalitionskoordinatoren. Kurz nahm dann mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), beide flankiert von einem Fahnenwald auch aus den Bundesländern, die alte Tradition wieder auf – und stellte sich meist selbst den Fragen, bevor es die Koalition wegen Straches mitgefilmter Eskapaden auf Ibiza sprengte.

Humor statt endlose Monologe

Nur die gläsernen Pulte im Kongresssaal erinnern am Mittwoch noch an diese Tage. Dort, wo einst Strache minutenlange Monologe hielt, steht jetzt Grünen-Chef Kogler, wieder ohne Krawatte, der mit seinem ebenfalls berüchtigten Redefluss selbstironisch zur Sache geht. Nach einem kurzen Einleitungsstatement sagt er: "Und damit hör’ ich schon auf, ich muss ja Gutpunkte für meine Redezeit sammeln."

Der anvisierte Budgetfahrplan war da von Blümel wie Kogler freilich bereits rasch herunterreferiert: Der Finanzminister will am 18. März seine Budgetrede halten, bis dahin möchten ÖVP und Grüne mit einem Budgetprovisorium regieren, das im Wesentlichen den Haushaltsplan für 2019 fortschreibt und am Freitag im Nationalrat beschlossen werden soll. Ein Doppelbudget bis einschließlich 2021 soll es – anders als nach Nationalratswahlen üblich – nicht geben. Dafür sei die Zeit zu knapp.

Zu seinen Zielen erklärt Blümel: keine neuen Schulden und den Schuldenstand auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken, wie von der EU vorgesehen. Neben ihm bekennt sich Kogler zu dem vereinbarten ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus hinweg. Und beide versichern, 2021 soll dann die erste Etappe der Steuerreform in Kraft treten, allerdings wollen sich weder Blümel noch Kogler festlegen, wie diese konkret ausgestaltet sein soll – alles noch Gegenstand von Gesprächen, heißt es. Wobei Kogler dann doch betont, dass zuerst die Entlastung der unteren Lohn- und Einkommensteuertarife Priorität hat und nicht gerade die Schonung der mittleren und höheren Stufen.

Geschehnisse in Aussicht

Welcher Raum wird da für grüne Projekte im Budget 2020 bleiben? Das will Kogler noch nicht beurteilen, denn die geplanten Umsteuerungen in der Klimapolitik würden mehr Zeit in Anspruch nehmen. Aber, so schließt er mit Heinrich Böll: "Es wird etwas geschehen!"

Dafür gerät der Vizekanzler angesichts der von Kurz anvisierten Teilrücknahme der Hacklerregelung, vor der Wahl auf Initiative von Rot und Blau beschlossen, noch einmal in Fahrt. Hier schwebt dem Grünen-Chef eine Regelung vor, die niedrigen Pensionen und besonders Frauen hilft. Vom gegenwärtigen Modus – 45 Beitragsjahre, dann abschlagsfrei ab 62 in Pension – hätten Frauen nichts, hält Kogler fest und erklärt: "Eine Regelung nur für Männer, da sträubt sich was in mir." (Nina Weißensteiner, 8.1.2019)