Der klassische Wiener Kaffeehausstuhl: 1859 entwerfen die Gebrüder Thonet den Stuhl Nr. 14 und somit eine Ikone der Designgeschichte.

Foto: MAK/Georg Mayer

Betritt man die Ausstellungsräume im ersten Stock des Mak, riecht es nach Holz: nicht so stark wie Sägespäne oder frisch gehacktes Holz, auch nicht nach Wald oder Garten – nein, subtiler und eleganter, irgendwie geschnörkselt. Wenn man es besser wüsste, würde man sagen, es riecht nach Bugholz. Denn das ist es, worum es in der Schau Bugholz, vielschichtig. Thonet und das moderne Möbeldesign geht.

Genauer erzählt sie die Geschichte einer der bekanntesten Möbelmarken, die vor 200 Jahren in Wien begann, dieses Material zu verwenden, um es als Möbelstück fest in die Designgeschichte einzuschreiben: Das Unternehmen Thonet wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von dem deutschen Tischlermeister Michael Thonet in Wien gegründet. Nach und nach baute er die bereits vorhandene Technik des Holzbiegens aus und patentierte sie schließlich. (Der technische Vorgang kann in einem Video im hinteren Teil der Ausstellung gesehen werden.)

Der Klassiker ohne Schnörksel

Im Jahr 1859 erlangte Thonet durch den Stuhl Nr. 14 mit dessen schlichten Holzbeinen, dem charakteristischen Sitzgitter und dem massiv gebogenen Rahmen internationalen Erfolg. Plötzlich wurden Möbel für den alltäglichen Gebrauch nachgefragt, die barocken Schnörksel waren passé, und der ikonische Wiener Kaffeehaussessel war geboren. Anfang der 1860er-Jahre wurde es technisch möglich, Holz auch massiv vollständig zu biegen und die Bauteile in nur einem Arbeitsgang anzufertigen. Stets wurden weitere Maßnahmen getroffen, die den Sessel stabiler und haltbarer machen sollten.

Die Botschaft der Schau ist von Anfang an klar: Hier handelt es sich um eines der meistverkauften Möbelstücke der Welt und einen Klassiker der Designgeschichte. Die beiden Kuratoren Sebastian Hackenschmidt und Wolfgang Thillmann huldigen dem Thonet-Stuhl, seiner Vorbildfunktion und inspirierenden Auswirkung auf das damalige Möbeldesign. Mehr als 240 Exponate werden thematisch gruppiert und gehören zum Großteil zur Sammlung des Mak. Einerseits stammen sie von den Gebrüdern Thonet selbst – 1953 gründet Michael Thonet gemeinsam mit seinen Söhnen die Firma Gebrüder Thonet und lässt ihre erste Fabrik in Koritschan, im damaligen Mähren, errichten – andererseits ihrer Wiener Konkurrenz und auch zeitgenössischen Künstlern und Designern.

Bugholz trifft Stahlrohr

Dabei finden die Sitzmöbel – ein paar Tischchen und Bänkchen sind deutlich in der Unterzahl – auf schlichten, leicht geschwungenen Podesten Platz, die sich durch den Raum biegen. Auch hölzerne Bögen, die man durchschreitet, fangen das Design der Stühle ein.

Auf kleinen Steckbriefen unter jedem Möbelstück werden Name, Entstehungsjahr, Designer oder Material bekanntgegeben. Alles in allem ein klassischer, wenn auch simpler Aufbau, der chronologisch funktioniert.

Diesen schreitet man beginnend bei den ersten Exemplaren entlang – den sogenannten Laufsesseln – die Thonet gemeinsam mit dem englischen Architekten P. H. Desvignes für das Palais Liechtenstein entwarf, kommt an Freischwingern, Gartensesseln sowie japanischen Versionen aus Bambus oder deutschen Varianten aus Plastik vorbei. Zwischendurch trifft Bugholz auf Stahlrohr, das Material, das ab den 1920er-Jahren durch den Funktionalismus modern und bei Thonet ins Sortiment aufgenommen wurde.

Thonet, Schuhe und Goethe

Etwa ab der Mitte der Schau freut man sich über die Stühle, die unter die Rubrik Experimente fallen: Der Schaukelstuhl Erlkönig zum Beispiel, den Sessel in Form eines Schuhs von Birgit Jürgenssen oder der eines Kleiderständers von Uta Belina Waeger durchbrechen die irgendwann ermüdende Abfolge von Sitzmöbeln. Man vermisst eine interaktive Brücke zwischen den starren Möbeln, etwas Vertikales oder Digitales.

Schlussendlich kehrt die Schlichtheit, mit der Thonet vor 200 Jahren bekannt wurde, in den Objekten der Gegenwart wieder, die quasi an die Erstexemplare andocken. Somit ist man wieder am Anfang, nur der Holzduft ist in der Zwischenzeit verflogen. (Katharina Rustler, 9.1.2020)