Er ist zurück. Nur seine Bücher muss er erst in die Regale schlichten. Heinz Faßmann ist am Wiener Minoritenplatz wieder als Bildungsminister für die ÖVP eingezogen. Praktisch: Nachfolgerin und Vorgängerin Iris Rauskala, die in der Übergangsregierung seine Agenden übernommen hat, bleibt ihm als Sektionsleiterin und Vertrauensperson erhalten.

Heinz Faßmann hat wieder die Bildungsagenden übernommen, diesmal eben türkis-grün akzentuiert.
Foto: Regine Hendrich

Warum er seine Ankündigung, nach einem Durchgang aufzuhören, nicht eingehalten hat? "Ich bin schon von der Annahme ausgegangen, dass eine Legislaturperiode fünf Jahre dauert", erklärt Faßmann. Außerdem fühle er sich verpflichtet, "Dinge, die ich angefangen habe, fortzuführen". Wer das Bildungskapitel im Regierungsprogramm liest, bekommt schnell den Eindruck, der 64-jährige Uni-Professor für Angewandte Geografie kann tatsächlich dort weitermachen, wo er vor Ibiza-Gate aufgehört hat. Ein Befund, den er ganz diplomatisch abschmettert.

STANDARD: Highlighten Sie uns bitte die grünen Spuren im Bildungsteil des Regierungsprogramms.

Faßmann: Ich möchte jetzt keine parteipolitische Textexegese vornehmen. Das bedingen vertrauliche Verhandlungen.

STANDARD: Was geht mit Grün, was mit Blau nicht möglich war?

Faßmann: Die Schwerpunktsetzung ist sicher anders. Jetzt haben wir auch der Elementarpädagogik mehr Gewicht gegeben.

Was das für das zweite verpflichtende Kindergartenjahr bedeutet, das bereits mit FPÖ paktiert, jetzt laut Papier mit den Grünen aber wirklich umgesetzt werden soll? Da will sich Faßmann nicht in die Karten schauen lassen. Er habe nämlich dazugelernt, welche Reaktionen das Wort Verpflichtung auslösen kann: "Dann sagen die Länder 'wunderbar', aber bitte auch vom Bund bezahlt." Das Ziel bleibe aber: "Wir wollen hundert Prozent der Vier- bis Fünfjährigen im Kindergarten wissen."

Höchste Priorität hat für den neuen, alten Bildungsminister auch die bessere finanzielle Ausstattung von Schulen, die im Regierungsprogramm als Bildungseinrichtungen mit "besonderen Herausforderungen" beschrieben werden. Wobei es Faßmann wichtig ist, dass bei der Mittelverteilung nicht nur auf das soziale Umfeld der Schülerinnen und Schüler abgezielt wird, sondern: "Es braucht ein zweistufiges Verfahren, bei dem die Schulen neben dem Screening nach statistischen Merkmalen wie Bildungsgrad und finanzielle Situation im Elternhaus auch eingeladen werden, ein Konzept zu entwickeln".

Schulleitung gefragt

Interessierte Schulleitungen sollen dabei darlegen, welche spezifischen Bedürfnisse am jeweiligen Standort bestehen, ob und welches zusätzliche Personal benötigt wird. Faßmann: "Es hat keinen Sinn, Schulen etwas zu geben, das sie vielleicht gar nicht wollen. Diese Form der Zwangsbeglückung ist nicht das, was zum Erfolg führt." Exakt 100 Schulen will der Minister für dieses Vorhaben ausfindig machen – er rechnet mit großem Interesse in den Ballungszentren, insbesondere auch aus Wien.

Bildungsminister Heinz Faßmann hat nach wenigen Tagen im Amt bereits die Lehrergewerkschaft am Hals – es geht um die Idee des "Sommerunterrichts".
Foto: Regine Hendrich

Mehr Unterstützung soll es für den Schulalltag generell geben – in Form von Schulpsychologen, administrativen Kräften oder etwa Schulärztinnen. Wie viel? Da wolle man sich an internationalen Vergleichsbeispielen orientieren.

STANDARD: All Ihre Vorhaben bedeuten, dass Sie bei den anstehenden Budgetverhandlungen ordentlich punkten müssen, oder?

Faßmann: Insgesamt ist unser Bildungssystem nicht so schlecht ausgestattet. Aber die Verhandlungen führe ich mit dem Finanzminister, nicht über die Medien.

Von wo nach wohin er umschichten will, lässt Faßmann offen.

Ein Projekt, das während der Zeit der Übergangsregierung eingefroren wurde, wird jetzt wieder aufgetaut. Es geht um die Timeout-Gruppen für verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler. Eigentlich sollten bereits jetzt, im Jänner 2020, Pilotversuche laufen. Dazu kam es nicht. Aber Faßmann bleibt überzeugt: "Beim Thema Gewalt müssen wir etwas tun. Ich hätte gern, dass das ursprüngliche Konzept wieder aufgegriffen wird."

Dass jene Passage im Regierungsübereinkommen, in der es um die umstrittenen – und fast einheitlich von Experten kritisierten Deutschförderklassen geht, als Türöffner für mehr Autonomie der Schulleitungen gelesen werden kann, stellt Faßmann in Abrede: "Da lesen Sie einen anderen Text als den, den ich habe." Konkret ist im türkis-grünen Programm von einer "notwendigen Gestaltungsfreiheit (Gruppengröße, Gruppenzusammensetzung, flexiblere Stundenplaneinteilung)" die Rede.

STANDARD: Inhaltlich ändert sich doch Gravierendes – bleibt also nur der Name?

Faßmann: Wir überlassen nicht alles der Autonomie der Schulen, die dann vielleicht sagen, wir kehren zum guten, alten Weg zurück und machen die Deutschförderung wieder im Regelunterricht. Weil davon bin ich nicht überzeugt. Die grundsätzliche Idee soll schon erhalten bleiben.

STANDARD: Wie haben Sie die Grünen davon überzeugt?

Faßmann: Wir sind da eines Sinnes gewesen, jenen, die beispielsweise aus dem Ausland kommen und noch nichts verstehen, ein Grundgerüst an Kompetenz beizubringen. Die Idee, als Nicht-Deutsch-Sprechender im Unterricht zu sitzen und nur durch das Zuhören oder das Eintauchen in das Sprachbad alles schnell aufholen zu können, ist wunderbar – funktioniert nur nicht.

Erst wenige Tage im Amt, ist es Faßmann gelungen, gleich einmal die Lehrergewerkschaft gegen sich aufzubringen – wird im Regierungsprogramm doch angedacht, dass "jene, die es brauchen", künftig zum "Sommerunterricht" antreten. Aufseiten der Pflichtschullehrer sorgte man sich prompt, in die Ziehung zu kommen. Der Minister beruhigt: "Wir haben eine ganze Reihe von privaten Nachhilfeinstitutionen, die in der Ferienzeit Förderung anbieten. Uns erscheint es sinnvoll, dass auch die öffentliche Hand ein Angebot macht – vielleicht in Zusammenarbeit mit den Pädagogischen Hochschulen und Studierenden, die ihre Schulpraktika absolvieren müssen." Mehr als eine Überlegung sei das aber noch nicht. (Peter Mayr, Karin Riss, 9.1.2020)