Foto: Harper Voyager

Das ist möglicherweise das richtige Buch für alle diejenigen, die mit James Franco litten, als er in "127 Hours" in einer Felswand feststeckte, oder die mit dem weiblichen Sextett von "The Descent" um die Wette zitterten, als die mörderischen Höhlenbewohner aus dem Schatten traten. Speläologische Science Fiction – diese doch eher ungewöhnliche Variante hat die junge US-Autorin Caitlin Starling also für ihr Romandebüt gewählt.

Allein unter der Erde

Schauplatz von "The Luminous Dead" ist die Unterwelt des Kolonialplaneten Cassandra-V, der vom Rohstoffabbau lebt. Die Planetenkruste ist von ausgedehnten Höhlensystemen durchlöchert, und laufend werden Pioniere nach unten geschickt, um weitere Mineraliendepots aufzuspüren. Da es dort aber eine offenbar hochgefährliche Lebensform gibt, die schlicht als Tunneler bezeichnet wird, müssen diese Pioniere oder Caver hermetisch verschlossene Schutzanzüge tragen, um die Monster nicht durch ihren Körpergeruch anzulocken. Der Auftakt des Romans führt uns anschaulich vor Augen, was das bedeutet – nämlich als der Hauptfigur plötzlich bewusst wird, dass sie nun wochen- oder gar monatelang ihre Haut nicht mehr berühren wird können.

Und noch eine Ungeheuerlichkeit ist mit diesen Hightech-Anzügen verbunden: Es sind letztlich Maschinen, deren Steuerung jederzeit von der Einsatzkontrolle übernommen werden kann – bis hin zur Injektion gerade "angebrachter" Drogen. The caver agrees to surrender bodily autonomy to the expedition team for the duration of the expedition period, heißt es in den Geschäftsbedingungen.

Was das in der Praxis heißen kann, wird Hauptfigur Gyre Price sehr schnell klar: Erst wird sie morgens brutal mit einer Adrenalin-Injektion geweckt – und bald darauf stößt sie auf eine Leiche, die sie nur auf einem Umweg überhaupt entdecken kann. Aus dem Datenstrom, den ihr die Einsatzkontrolle als Bild ihrer Umgebung aufs Helmvisier projiziert, war die Leiche nämlich herausgefiltert worden. Offenbar kann Gyre ihren Leih-Augen nicht trauen.

Fischiger Auftrag

Bei nüchterner Betrachtung muss man bilanzieren, dass es sich um die unprofessionellste Expedition handelt, die man sich nur vorstellen kann. Gyre hat sich den Auftrag nämlich erschwindelt, weil sie dringend Geld braucht. Sie ist zwar als Kind in einigen harmlosen Höhlen herumgekrabbelt – echte Caver-Erfahrung hat sie jedoch nicht. Und ihr Gegenstück an der Oberfläche, Em, entpuppt sich als Ein-Frau-Kommando; es gibt also nur eine einzige Person, die rund um die Uhr ein Auge auf Gyre haben soll, während die durch eine potenziell tödliche Umgebung kriecht. Man kann sich echt nicht entscheiden, welche von den beiden verantwortungsloser handelt.

Natürlich kommt es nicht von ungefähr, dass Em niemand anderen hinzugezogen hat. Die Suche nach Mineralien war nämlich nur ein Vorwand – warum Em wirklich unbedingt jemanden ins Höhlensystem schicken wollte, bleibt lange Zeit offen. Dennoch raufen sich die beiden Frauen über Funk überraschend schnell zusammen. Aus Misstrauen wird eine Art Freundschaft, und in der Zukunft könnte daraus vielleicht sogar noch mehr werden. Falls es für Gyre eine Zukunft gibt.

In Summe kommt da so einiges zusammen, das bei Gyre eine schleichende Paranoia auszulösen beginnt: von Ems Undurchsichtigkeit über die redigierte Wahrnehmung via Anzug bis zum Kontakt mit einem Pilz, dessen Sporen Halluzinationen auslösen. Als es Anzeichen dafür gibt, dass außer ihr und den ominösen Tunnelern womöglich auch noch andere Menschen durch die Höhlen schleichen, kann Gyre daher beim besten Willen nicht mehr sagen, ob sie sich das nur einbildet oder ob es real ist.

Reicht nicht für einen Roman

So weit, so gut. Löblich ist im Prinzip auch, dass Starling ihre reduzierte Herangehensweise konsequent durchzieht. Zwei Protagonistinnen, ein Schauplatz, mehr nicht – es gibt nicht einmal Rückblenden, die uns für eine kurze Atempause aus der klaustrophobischen Umgebung des Höhlensystems entführen würden. Das Problem: Das würde eine hochspannende Erzählung von Kurzgeschichten- bis Novellettenlänge tragen, aber keinen ganzen Roman.

Alles, woran man Handlungsfortschritte festmachen könnte, tritt lange Zeit auf der Stelle. Sei es die geografische Annäherung ans unklare Ziel, sei es das Geheimnis der Tunneler (Semi-Spoiler: Bloß nicht zu viel davon erwarten!) oder die mögliche Anwesenheit anderer Menschen. Und selbst wenn man die Beziehung zwischen den beiden Frauen für den Kernpunkt des Romans hält, muss man konstatieren, dass die früh in ein Stadium übergeht, das sich danach nicht mehr wirklich weiterentwickelt.

Unterm Strich bleibt ein über mehrere hundert Seiten gehendes Klettern und Tauchen (Teile des Höhlensystems stehen ja unter Wasser), das auf Dauer etwas repetitiv wirkt. Liefe eine Verfilmung von "The Luminous Dead" im Fernsehen, wäre es ein perfekter Zapping-Kandidat. Man könnte sich zwischendurch sogar eine ganze Serienfolge ansehen und hätte nach dem Zurückschalten keinerlei Wiedereinstiegsprobleme. Starling ist keine schlechte Erzählerin, sie hat sich nur schlicht im Format verschätzt.