Am 20. November letzten Jahres erschien in der New York Times ein Nachruf auf einen gewissen Richard Grubman, der 57-jährig in einem Wiener Spital verstorben war. Betont sachlich wurde der Werdegang geschildert: In New Jersey gebürtig, Kunst- und Archäologie-Studium an der Princeton University, Investmentbanker, 1998 Mitbegründer des Hedgefonds "Highfields Capital Management", von 2010 an im Bereich Private Equity aktiv. Neben Beispielen seiner gemeinnützigen Tätigkeit vermerkte man noch seine Übersiedlung von Boston, Massachusetts, nach Jackson, Wyoming 2014. Dort habe er als begeisterter Skifahrer die Berge zu schätzen gewusst.

Richard Grubman war ein leidenschaftlicher Sammler von Kunstobjekten der Epoche Wien um 1900. Und er war ein Mäzen, der Institutionen nicht nur mit Leihgaben, sondern auch mit teils namhaften finanziellen Spenden unterstützte: Darunter die Secession, das Museum für angewandte Kunst, das Leopold Museum oder das Wien Museum.
Foto: Privat

Jenes Kapitel, das die letzten 15 Jahre seiner Vita prägte, blieb indes unerwähnt: seine Leidenschaft für die Epoche "Wien um 1900" und seine Sammlung, die Hundertschaften von Exponaten umfasste, Mobiliar, Silber der Wiener Werkstätte (WW), Gläser nach Entwürfen einst gefeierter Architekten, unzählige Gemälde und Zeichnungen. In Umfang und Güte gehört sie zu den weltweit wichtigsten Privatkollektionen dieser Art. Kein Wort über das von Grubman geplante Museum in den USA oder zu einer Liebe zu Wien und den Spuren, die er in den hiesigen Museen hinterließ: als Sammler, dessen Großzügigkeit, auch monetärer Natur, nicht nur ihren Vergleich sucht, sondern in ihrer Konsequenz und Kontinuität beispiellos war.

Hierzulande wurde vorerst kein Nachruf publiziert – auf Ersuchen der Angehörigen, da er das in seinem Testament verfügt habe. Wer ihn kannte, wusste, warum. Am öffentlichen Rampenlicht lag ihm genauso viel wie dem redensartlichen Teufel am Weihwasser. Er mochte Wertschätzung in persönlichen Gesprächen oder im fachlichen Austausch. An der Mehrung persönlichen Prestiges war ihm jedoch nie gelegen, wie die Fotohistorikerin Monika Faber kurz vor Weihnachten im Falter (Nr. 51/19) treffend anmerkte.

Betroffenheit in Wien

Am 14. November 2019 verlor eine Reihe hiesiger Institutionen einen Gönner und Netzwerker, der weniger eine Lücke als einen Krater hinterlässt, wie es Patrick Kovacs formuliert. Er ist einer der Kunsthändler und Weggefährten, in deren Herzen sich Grubman mit seinem charakteristisch uneitlen, feinsinnigen, loyalen und gewinnenden Wesen zu stehlen verstanden hatte. Klingt pathetisch? War so. Die Betroffenheit über sein Ableben hält an, unter den engsten Freunden in Wien sowieso.

Betroffenheit herrscht auch im Leopold Museum: "Ohne Richards enthusiastischer Unterstützung mit über 100 Dauerleihgaben für unsere Wien 1900-Ausstellung, würde diese Präsentation nicht so facettenreich ausgefallen sein", betont Direktor Hans-Peter Wipplinger.
Foto: Privat

Patrick erinnert sich spontan an einen Skitag in Schladming, an eine Route am Krahbergzinken, bei der ihm das Herz in die Hose rutschte, während Richard beherzt hinunterwedelte. Andrea (Glanninger-Leitner, Wienerroither & Kolbacher), die ihm Klimt-Zeichnungen näherbrachte, denkt an gemeinsame Sommerabende mit Negroni und ausgelassenem Gesang. Die Wohnung nicht zu vergessen, die ihr Mann für Richard suchte, weil er seine Wien-Aufenthalte nicht mehr im Hotel Sacher verbringen wollte. Bis zu seinem Einzug kümmerte sich dort Susanne (Galerie Susanne Bauer) um Organisatorisches, Rollos inklusive.

Wie der vermögende Amerikaner als Kunde so war? Völlig unprätentiös. Bei einer Messevernissage habe er vor ein paar Jahren eine Sitzgarnitur (Gustav Siegel, Josef Hoffmann) bei ihr gekauft. Sie wollte die verkaufte Ware prompt loswerden und organisierte einen Möbelroller zum Abtransport. Er erwies sich als zu klein. Kurzerhand schnappte sich Richard die Sessel und trug sie davon, lachend, strahlend und stolz auf seine "Beute".

Bei Louis Wienerroither hinterließ die generöse Art Eindruck, wenn er etwa einen Ankauf bei einer Auktion selbst nicht riskierte und eine Restaurierung später eine faire Händlermarge akzeptierte. Ganz ohne Feilscherei, wenn es nur erstklassig war. Wolfgang Bauer (Bel Etage) lobt wiederum das besonders gute Auge schon in den Anfangsjahren. Aus einem Satz von vier Gitterkörbchen hatte er sich treffgenau das schönste ausgesucht, wie der Jugendstilspezialist im Nachhinein erkannte.

Für Silber der Wiener Werkstätte (WW) hegte Grubman eine besondere Leidenschaft. "Diese Jardiniere von Josef Hoffmann aus dem Jahr 1919", erzählt Patrick Kovacs, "war das letzte Objekt, das er bei mir erwarb". Als Sammler wusste er eine gute historische Dokumentation – in diesem Fall aus dem WW-Onlinearchiv, das er dem MAK finanziert hatte – zu schätzen.
Foto: Patrick Kovacs Kunsthandel

Legendär waren Richard Grubmans monetäre Gaben an das Museum für angewandte Kunst (Mak) und die Secession. Mit 200.000 Euro habe er für die Generalsanierung des Gebäudes mehr als jede andere Privatperson spendiert, erzählt Herwig Kempinger. Über die gemeinsam gegründete Vienna Secession American Foundation fließen fortlaufend Förderungen nach Wien. Er war jemand, erzählt Kempinger, der "nie wartete, bis er um etwas gebeten wurde". Fing er für eine Sache Feuer, stand er großzügig bereit. Erst jüngst hatte er noch 60.000 Euro für die Digitalisierung des Archivs der Secession in Aussicht gestellt.

Substanzieller Mäzen

Öffentlich abrufbare Archive waren ihm ein Anliegen. Dem Mak hatte er – neben einigen Ankäufen – sowohl die Digitalisierung des WW-Archivs (ab 2008) als auch die des Archivs der Werkstätte Hagenauer (seit 2015) finanziert. In welcher Größenordnung die finanziellen Zuwendungen über die Jahre lagen, will Direktor Christoph Thun-Hohenstein auf Anfrage nicht mitteilen. Nur so viel: Er sei "ein substanzieller" Partner des Mak gewesen.

Kennengelernt habe er Richard Grubman kurz nach seinem Amtsantritt 2011. In seiner Leidenschaft – auch für die einfache Wiener Küche bei gemeinsamen Mittagessen – sei er ihm schnell ans Herz gewachsen: "Er wollte Entwicklungen vorantreiben und Erfolge sehen." Als das Museum erwog, die WW-Datenbank nicht öffentlich zu stellen, drohte Grubman dem Mak mit Liebesentzug. Geschichte.

Carl Molls Gemälde "Waldweiher mit Seerosen" (1900) ist eine von mehr als 100 Leihgaben aus der Sammlung Richard Grubmans, die derzeit im Leopold Museum gastieren.
Foto: Leopold Museum, Wien

Ohne seine "enthusiastische Unterstützung" mit über 100 Dauerleihgaben für die "Wien um 1900"-Präsentation im Leopold-Museum wäre diese "nie so facettenreich ausgefallen", streut ihm Hans-Peter Wipplinger Rosen. Der andere wichtige Privatleihgeber dieses Hauses ist Ernst Ploil, Grubmans Rechtsanwalt und Sammler-Buddy. Nach Jahren des typischen Wettbewerbs habe sich ihr Verhältnis zu einer sehr freundschaftlichen Art der Kooperation fern jedweder Konkurrenz entwickelt, schildert Ploil.

Staatsbürgerschaft blieb verwehrt

Großzügige Spenden und gewinnbringende Beratung bekam auch das Wien-Museum. Sein Engagement sei einzigartig gewesen, betont Matti Bunzl. In seiner Rolle als Sammler und Mäzen habe er für Wien und Österreich außerordentliche Leistungen erbracht. Den Behörden war das einerlei. 2016 hatte Richard Grubman um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht. Eine Doppelstaatsbürgerschaft also, die Sportlern und bekannten Künstlern teils förmlich nachgeschmissen wird.

Im November 2018 wurde der Antrag per Bescheid abgelehnt. Dem Vernehmen nach hätte es eines einstimmigen Beschlusses im Ministerrat bedurft, es soll sich jemand von der FPÖ explizit dagegen ausgesprochen haben. Eine bittere Pille, wo es doch um ein Symbol der nachhaltigen Wertschätzung seiner Verdienste hätte gehen müssen. (Olga Kronsteiner, ALBUM, 11.1.2020)