Sie gehen ab jetzt eigene Wege: Meghan und Harry.

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Im Buckingham-Palast dürften an diesem Wochenende die Büros länger besetzt sein als sonst: Möglichst binnen Tagen wollen Königin Elizabeth sowie die Thronfolger Charles und William eine maßgeschneiderte Lösung für Meghan und Harry finden. Das glamouröse Herzogspaar Sussex hatte am Mittwoch ohne vorherige Absprache öffentlich den Wunsch nach einer "progressiven neuen Rolle" mit größerer Distanz zum britischen Königshaus geäußert. In den bevorstehenden Verhandlungen muss Prinz Harry ohne Meghans Unterstützung auskommen: Nach dreitägigem Aufenthalt auf der Insel flog die gebürtige US-Amerikanerin am Donnerstag nach Kanada zurück.

Sollten die britischen Medien auch nur annähernd die öffentliche Meinung widerspiegeln, scheint es um die Monarchie nicht schlecht bestellt zu sein. Beinahe einhellig distanzierten sich Schlagzeilenmacher und Kolumnisten von den abtrünnigen Royals, Vergleiche mit der Kardashian-Familie und anderen zweckfreien Celebritys machten die Runde. Als "übertrieben", "naiv" und "unangenehm" bezeichnete der "Times"-Leitartikler die Kritik des Prinzen an den britischen Medien. Zustimmend berichtete das konservative Blatt über Prinz Charles' Drohung, er werde seinem jüngeren Sohn die finanzielle Unterstützung entziehen.

Video zum Rückzug von Meghan und Harry
DER STANDARD/APA/dpa

Die Presse ist interessiert

Wohlwollend berichtete das Boulevardblatt "The Sun" über empörte Royalisten, die dem Paar den Ehrentitel als "königliche Hoheit" aberkennen sowie die Hunderttausende kostende Bewachung durch Beamte von Scotland Yard entziehen wollen. Der königstreue "Telegraph" verglich das Paar sogar mit der 1793 hingerichteten französischen Ex-Königin Marie-Antoinette, beeilte sich aber hinzuzufügen, es müssten diesmal immerhin keine Köpfe rollen.

Sogar die sonst allem Royalen abgeneigte "Financial Times" widmete dem Thema einen vergleichsweise reich bebilderten Vierspalter. Nicht nur die Wirtschaftspresse interessiert sich besonders dafür, wie die Eltern des acht Monate alten Archie ihr Ziel erreichen wollen, zukünftig finanziell unabhängig vom britischen Steuerzahler und der Familie zu werden. Während Meghan immerhin in ihren alten Beruf als Schauspielerin zurückkehren könne, bestehe Harrys Humankapital aus "einem Titel, einem gewissen jugendlichen Charme und der Fähigkeit, Hubschrauber zu fliegen", konstatiert der "Economist" trocken.

Royal Watchers erinnern sich mit Schaudern an die ökonomischen Gehversuche anderer Windsors. Prinz Edwards Gattin Sophie führte ihre PR-Firma kurzzeitig nach ihrer Heirat 1999 weiter, bis sie ein Undercover-Reporter bei unvorsichtiger Klatscherei über ihren Schwager Prinz Charles und den damaligen Premierminister Tony Blair erwischte. Prinz Andrew, einst ähnlich glamouröser Hubschrauberpilot wie sein Neffe Harry, machte unappetitliche Deals mit Scheichs und postsowjetischen Oligarchen, ehe er im Haus des verurteilten Sexualverbrechers Jeffrey Epstein mit Minderjährigen verkehrte. Andrews geschiedene und stets klamme Frau Sarah Ferguson versprach Geschäftsfreunden gegen Bares Zugang zu ihrem Ex.

Peinlichkeiten möglichst vermeiden

Um derartige Peinlichkeiten zu vermeiden, dürften sich die Verhandlungen in den kommenden Tagen darauf konzentrieren, wie viel Mitspracherecht bei den Kommerzbemühungen des Herzogspaares der Palast zukünftig haben kann und will. Dass Harry und Meghan ihre Handelsmarke und Website "Sussex Royal" nennen, verdeutlicht ihren Wunsch, Titel und Verbindung zum Königshaus zu behalten. Ob der Verkauf von Schlafanzügen, Kapuzenpullis und Kochrezepten mit der Marke Sussex Royal aber die Brand des Hauses Windsor beschädigt?

Im Scheidungskrieg zwischen Charles und Harrys Mutter Diana 1996 wurde die Entscheidung des Palastes, der Prinzessin den Titel "königliche Hoheit" und damit auch die Bewachung durch Scotland Yard zu entziehen, allgemein als rachsüchtig angesehen. Sie sei dann eben "die Prinzessin des Volkes", teilte die 35-Jährige mit, die ein Jahr später bei einem Verkehrsunfall in Paris ums Leben kam, weil der Fahrer ihres Kurzzeitgefährten Dodi al-Fayed seinen Wagen sturzbetrunken gegen einen Betonpfeiler setzte.

Eingeflößtes Selbstvertrauen

Für Harry und Meghan muss das Königshaus eine Lösung fürs 21. Jahrhundert finden, immerhin verfügt das Duo über zehn Millionen Instagram-Jünger sowie einen globalen Bekanntheitsgrad, den nur wenige andere Prominente erreichen. Im Konfliktfall dürften sie kaum so unauffällig in der Versenkung verschwinden wie die beiden bekanntesten royalen Rebellen des 20. Jahrhunderts. Kurzzeitkönig Edward VIII verschwand mit seiner geschiedenen Geliebten und späteren Frau Wallis Simpson 1936 ins Exil; Königin Elizabeths jüngere Schwester Margaret entsagte dem Titel und der Bequemlichkeit wegen ihres geschiedenen Liebhabers Peter Townsend und starb als Alkoholikerin 71-jährig.

In beiden Fällen spielte nicht zuletzt das liebe Geld eine Rolle. Hingegen scheint Meghan ihrem Gatten das Selbstbewusstsein eingeflößt zu haben, man werde notfalls auch ohne die Bezuschussung durch Großmutter und Vater auskommen. In die Verhandlungen über die Zukunft ist nicht nur die britische Innenministerin Priti Patel als Zuständige für den royalen Personenschutz eingebunden, sondern auch die kanadische Regierung. Ganz verzichten auf die Alimentierung der Steuerzahler will das Herzogspaar also offenbar nicht. (Sebastian Borger aus London, 10.1.2020)