Seewiesen – Papageien und Krähen gelten als die Schlaumeier der Vogelwelt: Ihre Artvertreter beherrschen unter anderem die Kunst der Werkzeugherstellung, verstehen kausale Zusammenhänge, planen vorausschauend und können sogar komplizierte Schlösser knacken, wie Experimente gezeigt haben. Zudem teilen sie Futter mit Artgenossen und lernen voneinander.

Als ganz besondere Schlaumeier sind die Graupapageien bekannt: So konnte der Graupapagei Alex, der mit rund 500 Wörtern kommunizierte, Fragen beantworten und spontan Objekte klassifizieren. Das Besondere an diesen Geistesleistungen: Sie werden ohne Großhirnrinde vollbracht, da diese den Vögeln fehlt.

Forscherinnen um Auguste von Bayern (Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen) konnten nun in gleich drei neuen Studien (unter anderem im Fachblatt "Current Biology") zeigen, dass Graupapageien zudem ein hohes Maß sozialer Intelligenz und Hilfsbereitschaft aufweisen. Die Vögel helfen Artgenossen, selbst wenn sie keine sofortige Gegenleistung für ihre Hilfe erhalten.

Experiment mit Bella und Kimmi

Konkret erhielt das Graupapageien-Weibchen Bella bei diesen Experimenten in ihrer Plexiglas-Kammer ein paar Metallmarken zugeschoben. Sie hat gelernt: Sie kann die Wertmarken mit einer der Forscherinnen tauschen – und so eine Futterration einheimsen. Es gibt nur ein Problem: Das Loch in ihrer Plexiglaskammer, durch das der Tauschhandel stattfindet, wurde versperrt.

Die Versuchsanordnung mit Kimmi und Bella und der Übergabe von Metallmarken.
Foto: Comparative Cognition Group

In der direkt benachbarten Testkammer allerdings wartet ihre Freundin Kimmi. Ihre Öffnung für den Austausch Marke gegen Futter ist offen. Prompt die Papageiendame Wertmarke für Wertmarke in den Schnabel und reicht sie Kimmi durch eine Öffnung zwischen beiden Kammern. Diese nimmt die Gaben sichtbar gerne an und verliert keine Zeit, sie gegen eine Nascherei einzutauschen. Gelassen beobachtet Bella, wie Kimmi von ihrer Großzügigkeit profitiert – ohne zu wissen, dass sie sich später vielleicht revanchieren kann.

Eines der Experimente, das von Auguste von Bayern erklärt und interpretiert wird.
MaxPlanckSociety

Wie Menschenaffen

Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen verhalten sich neben dem Menschen nur Menschenaffen in vergleichbaren Situationen so scheinbar selbstlos. Alle anderen bislang getesteten Tiere achten nicht darauf, wie es ihren Artgenossen ergeht. Sie verhalten sich scheinbar gleichgültig oder handeln sogar eigensüchtig. "Unsere Papageien dagegen haben begriffen, dass ein anderes Individuum Hilfe braucht, um ein Ziel zu erreichen", sagt Désirée Brucks, Erstautorin der Untersuchung.

In einer zweiten Studie mussten sich die Vögel zwischen einer Wertmarke entscheiden, die nur ihnen selbst zugutekommt, und einer Marke, die auch dem Nachbar Futter sichert. "Am Anfang trafen die Papageien ihre Wahl noch zufällig, ohne auf das Wohl des Nachbarn zu achten", erklärt Anastasia Krasheninnikova, Erstautorin dieser Untersuchung. "Sobald sie aber abwechselnd mit Ihrem Partner getestet wurden, lernten sie schnell die Wertmarken auszuwählen, von der auch jeweils der Andere profitierte."

Kein Neid

Darüber hinaus haben die Forscherinnen in einer weiteren Studie herausgefunden, dass Papageien offenbar nicht neidisch sind, wenn ein Artgenosse für die gleiche Leistung höher belohnt wird oder wenn er für die gleiche Belohnung weniger hart arbeiten muss. Primaten nehmen eine solche Ungleichbehandlung nicht klaglos hin. Als Erklärung vermuten die Forscherinnen, dass Graupapageien im Normalfall ein Leben lang mit einem Partner zusammen sind, während Primaten viele Partner gleichzeitig haben und diese außerdem schnell und häufig wechseln. (red, 14.1.2020)