Vier Wochen nach seinem klaren Wahlsieg kann Boris Johnson den Durchbruch in Nordirland als großen Erfolg verbuchen. Gewiss geht der Kompromiss mindestens zu gleichen Teilen auf das Konto der Politikerinnen in Belfast sowie der irischen Regierung. Der britische Premierminister hat durch eine inspirierte Personalentscheidung sowie sein gutes Verhältnis zu Dublin Wesentliches beigetragen.

Damit unterscheidet sich der Londoner Regierungschef von seinen konservativen Vorgängern. David Camerons Regierungen hatten den immer noch fragilen Friedensprozess in der einstigen Bürgerkriegsprovinz vernachlässigt. Der gefährlichen Entfremdung der regionalen Regierungspartner, verstärkt durch einen unappetitlichen Subventionsskandal, hatte London nichts entgegenzusetzen; die Brexit-Entscheidung verunsicherte und verbitterte viele Nordiren, die mehrheitlich gegen den EU-Austritt gestimmt hatten. Der Bruch der Regionalregierung im Jänner 2017 ging nicht zuletzt darauf zurück.

Boris Johnson kann mit dem Durchbruch in Nordirland einen großen Erfolg verbuchen.
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Anstatt diese Stimmung ernst zu nehmen und als ehrliche Maklerin zu agieren, ging die damalige Premierministerin Theresa May nach ihrem Mehrheitsverlust 2017 ein Bündnis mit der ultrakonservativen Unionistenpartei DUP ein. Damit stieß sie die katholischen Nationalisten vor den Kopf. Ein Kompromiss zugunsten der Belfaster Allparteien-Regierung rückte in weite Ferne.

Wichtige Personalentscheidung

Bei seinem Amtsantritt im Juli 2019 traf Johnson eine inspirierende Personalentscheidung. Er versetzte Mays Fraktionsgeschäftsführer Julian Smith ins Nordirland-Ressort – ausgerechnet jenen Mann, der zwei Jahre zuvor das Bündnis mit den Unionisten geschmiedet hatte. Die Wähler taten ein Übriges. In Großbritannien bescherten sie den Torys eine eindeutige Mehrheit, in Nordirland fügten sie sowohl der DUP wie auch der größten Katholikenpartei Sinn Féin schmerzhafte Niederlagen zu. Das förderte die Kompromissbereitschaft beider Seiten.

Zum Erfolg wesentlich beigetragen hat zudem Johnsons Vertrauensverhältnis zu den handelnden Akteuren in Dublin. Irlands Premier Leo Varadkar und sein für Nordirland zuständiger Außenminister Simon Coveney konnten sich auf Cameron und May nie verlassen. Johnson hat ihnen offenbar das Gefühl vermittelt, er wolle seinen neugewonnene Handlungsspielraum nutzen. Wenn der mühsam erzielte Kompromiss von Belfast Bestand haben soll, muss die Einigkeit zwischen Dublin und London halten, ja vertieft werden. Und Johnson würde gut daran tun, seinen Minister Smith auch nach dem geplanten Kabinettsumbau im Amt zu lassen. (Sebastian Borger, 12.1.2020)