Sebastian Kurz und Werner Kogler am Freitag im Parlament.

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Der Vorwurf, Rechtspopulisten würden vor allem mit Angstmacherei auf Stimmenfang gehen, ist ein gut belegbarer. Im Verbund mit willfährigen Boulevardmedien werden Halbwahrheiten zu Skandalen zugespitzt, dafür gibt es Klicks für die einen und Wahlerfolge für die anderen. Völlig ungefiltert geht das bei Donald Trump, der seine Angstmaschine Twitter häufig mit kompletten Fake-News füttert, wenn er nicht gerade Kriegsdrohungen in die Welt hinausposaunt. Trumps Chancen auf Wiederwahl sind vielleicht gerade deswegen mehr als intakt.

Der Mechanismus, wonach Angst Gefolgschaft sichert, ist nicht neu. Schon der Staatstheoretiker Niccolò Machiavelli schrieb vor 500 Jahren, dass ein Herrscher, der seinen Untertanen "Furcht einflößt, mehr Folgsamkeit und Gehorsam ernten wird, als der, der ihnen Liebe entgegenbringt".

Parteien der breiteren Mitte, zuletzt als Establishment in Verruf geraten, hielten lange eine Politik der Leidenschaftslosigkeit für erstrebenswert. Nun aber entdecken auch sie die starken Gefühle wieder für sich. Die Phrase "die Sorgen der Menschen ernst nehmen" wird schnell zu "die Sorgen der Menschen so lange wiederholen, bis auch jene besorgt sind, die an sich keinen Grund zur Sorge sehen".

Gebetsmühlenartig betonten Werner Kogler und vor allem Sebastian Kurz in den letzten Tagen, weswegen die Menschen türkis-grün gewählt hätten: Klima und Migration. Beide "Krisen" haben zwar unbestritten politische Dringlichkeit, und wer Ängste nehmen will, muss sie auch ansprechen. Doch die ständige rhetorische Perpetuierung der Bedrohungsszenarien hat auch ein anderes Ziel: Die Koalition braucht die Krise als Dauerzustand, um Wähler bei der Stange zu halten. Dieses Phänomen, das auch international zu beobachten ist, beschrieb unlängst der deutsche Sozialwissenschafter Christian Geulen in einem Artikel. "Retten, schützen, bewahren, verteidigen – das Klima, die Natur, die Heimat, das Volk – uns! Krise und ‚Gefährdung‘ sind derzeit wohl die erfolgreichsten Motive politischer Rhetorik wie auch politischen Engagements", schreibt er.

Wenn Sebastian Kurz meint, man habe im Regierungsprogramm "das Beste aus beiden Welten" vereint, und Werner Kogler spitzfindig anfügt, man habe eigentlich ja "nur eine Welt", und diese sei vor allem vom Klimawandel bedroht, zeigt sich, worin Geulen durchaus eine Gefahr für die politische Kultur sieht: Der neue politische Konsens "besteht in der Erwartung einer existenziellen Bedrohung und in der Aufforderung zur finalen Rettung. Und seine Logik wird umso plausibler, je mehr die Krisen in Konkurrenz zueinander stehen."

Was Österreichs Regierung vormacht, könnte bald auch schon Ländern wie Deutschland ins Haus stehen: eine ökokonservative Querfront im Wettstreit der besten selbsternannten Krisenmanager. Ob diese in der Lage sein wird, jene Nerven, die sie chronisch reizt, auch wieder zu beruhigen, wird sie erst beweisen müssen. Es sei denn, sie will Ängste auch forcieren, um weiter Wahlen zu gewinnen. (Stefan Weiss, 13.1.2020)