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Die improvisierte Gedenkstätte für Ján Kuciak und Martina Kušnírová im Zentrum von Bratislava ist nach wie vor ein Treffpunkt für Trauernde.

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Marián Kočner betert seine Unschuld.

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Das zeitliche Zusammentreffen könnte kaum brisanter sein: Am Montag hat im westslowakischen Pezinok die mit Spannung erwartete Hauptverhandlung im Prozess gegen vier Verdächtige im Mordfall Kuciak begonnen. Gleichzeitig stürzen sich die Parteien des Landes gerade in die heiße Phase des Wahlkampfs: Am 29. Februar, in knapp sieben Wochen, wird ein neues Parlament gewählt. Und kaum ein Thema beschäftigt die Menschen in der Slowakei derzeit so sehr wie die bisherigen Mordermittlungen – und die von ihnen ans Tageslicht gebrachten Verbindungen zwischen dubiosen Unternehmern, hohen Beamten und dem politischen Establishment.

Der damals 27-jährige Enthüllungsjournalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová waren im Februar 2018 in ihrem Haus in Veľká Mača nordöstlich der Hauptstadt Bratislava erschossen worden.

Einer der Angeklagten gestand am Montag, Kuciak ermordet zu haben. Zwei weitere Verdächtige, darunter der Geschäftsmann Marián Kočner, beteuerten ihre Unschuld, ein weiterer gab kein Statement ab.

Immer wieder hatte Kuciak für das Onlinemedium aktuality.sk über einen Filz aus politischer Macht und Geschäftemacherei berichtet. Während die Behörden zunächst im Dunkeln tappten, entstand nach dem Mord binnen weniger Wochen eine breite Bürgerbewegung, die lückenlose Aufklärung sowie die Trockenlegung des Korruptionssumpfs forderte – und genau das den amtierenden Regierungspolitikern nicht mehr zutraute.

Politische Konsequenzen

Es kam zu den größten Massendemonstrationen seit der Wende des Jahres 1989. Im März 2018 hielten Premier Robert Fico und Innenminister Robert Kaliňák dem Druck nicht mehr stand und traten zurück. Die bunt zusammengewürfelte Koalitionsregierung ihrer linkspopulistischen Partei Smer mit der bürgerlichen Most-Híd und der Slowakischen Nationalpartei blieb jedoch weiter im Amt. Premier wurde der Smer-Politiker Peter Pellegrini, in dem viele jedoch bloß eine Marionette von Parteichef Fico sehen.

Bei den Ermittlungen indes kam es ein halbes Jahr später zur Wende: Nachdem eine angebliche Spur zur italienischen Mafia im Sand verlaufen war, wurden im September 2018 zwei unmittelbar tatverdächtige Slowaken verhaftet – ein ehemaliger Polizist und ein ehemaliger Soldat. Ein komplexer Abgleich von Handy-Ortungen sowie elektronische Fußabdrücke, die bei der Auskundschaftung von Kuciaks Haus im Internet entstanden waren, hatten die Behörden zu den beiden Männern geführt.

Spur zu Drahtziehern

Doch das war längst nicht alles: Als Verbindungsmann zu den Drahtziehern im Hintergrund wurde der Unternehmer Zoltán Andruskó verhaftet, der ab sofort mit den Behörden kooperierte. Bei seiner Festnahme, so gab Andruskó später zu Protokoll, sei er regelrecht erleichtert gewesen, dass es Polizisten waren, die über ihn herfielen – und keine weiteren Auftragskiller, die ihn als Zeugen aus dem Weg schaffen wollten.

Den Vermittlungsauftrag soll Andruskó von seiner Bekannten Alena Zsuzsová erhalten haben. Diese habe ihm dafür 50.000 Euro geboten – plus Streichung der 20.000 Euro Schulden, die er bei ihr hatte. Zsuzsová wiederum brachte die Polizei auf die Spur des kontroversen Geschäftsmanns Marián Kočner, der bereits wegen diverser Wirtschaftsdelikte im Visier der Ermittler stand. Der Vertraute Zsuzsovás gilt als zentrale Figur eines Machtkartells, das bis in höchste Kreise von Justiz und staatlicher Verwaltung reichte. Ján Kuciak hatte auch zu Kočners Machenschaften recherchiert – und war von ihm sogar telefonisch bedroht worden.

Mittelsmann Andruskó hat inzwischen einer Kronzeugenregelung zugestimmt und wurde in einem gesonderten Verfahren zu 15 Jahren Haft verurteilt. Somit stehen ab Montag nun vier Personen vor Gericht: Kočner, Zsuzsová und die beiden unmittelbar tatverdächtigen Männer.

"Das Interesse an dem Prozess ist riesig", sagte der Politologe Grigorij Mesežnikov, Chef des Instituts für öffentliche Angelegenheiten in Bratislava und Fellow am Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen, dem STANDARD. Die Causa habe "eine neue politische Dynamik ausgelöst". Die Parteien könnten den Prozess in der Vorwahlzeit nicht ignorieren, was vor allem für die Smer problematisch sei. Smer-Politiker hätten Kontakte zu Kočner gepflegt, dieser habe sich als ihr Unterstützer präsentiert.

Dennoch: Laut Umfragen liegt die Smer mit knapp 20 Prozent weiter auf Platz eins. Ihr Koalitionspotenzial erscheint derzeit zwar gering – für die selbst heillos zersplitterte Opposition aber ist das wohl nur ein schwacher Trost. (Gerald Schubert, APA, 13.1.2020)