Die Hetze gegen sie sei von Rechtsextremen gezielt angefacht worden, sagt Justizministerin Alma Zadić.

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Vom Wandschrank strahlt es braun auf Alma Zadić. Das Mobiliar im Büro der neuen Justizministerin ist großteils älter als sie selbst. "Da werde ich mir noch etwas einfallen lassen", sagt die Juristin vor dem Gespräch mit einer Journalistenrunde. Vorerst sei sie aber mit anderen Dingen beschäftigt als mit dem Raumdesign: mit Morddrohungen, die nach rechtsextremen Hetzkampagnen nicht abreißen. Aber auch mit dem Kennenlernen der hausinternen Routinen, die ebenfalls jahrzehntelang gewachsen sind.

STANDARD: Wie ist es, wenn man als Ministerin Polizeischutz braucht?

Zadić: Einfach ist es nicht. Es ist eine Umstellung, wenn man aus dem Haus geht und da stehen Beamte, die auf einen warten. Aber man gewöhnt sich an alles.

STANDARD: Der Kanzler sagt, so etwas muss man als Politikerin aushalten. Fühlen Sie sich von der ÖVP unterstützt?

Zadić: Unterstützt fühle ich mich schon. Solidarität gab es auch von vielen Abgeordneten, eigentlich aus allen Parteien. Man muss unterscheiden: Politiker sind immer Kritik ausgesetzt. Das ist auch gut. Was niemand aushalten muss, sind rassistische Übergriffe. Davon bin nicht nur ich betroffen.

STANDARD: Ist es für Migranten in Österreich riskanter, in die Politik zu gehen, als für Menschen ohne Migrationserfahrung?

Zadić: Es ist schon strukturell bedingt. Es ist ja das erste Mal, dass eine Person mit Migrationshintergrund Minister wird. Vor ein paar Jahren hätte man es sich vielleicht nicht vorstellen können, jetzt ist es Realität geworden, in ein paar Jahren wird es hoffentlich keine große Aufregung mehr sein. Immer wenn jemand neu am Tisch sitzt, gibt es Störungen, die von einer kleinen Gruppe ausgehen. Einer Gruppe, die mich nicht aufgrund meiner politischen Inhalte, sondern allein wegen meiner Herkunft und meiner vermeintlichen Religion herabwürdigt.

STANDARD: Diese kleine Gruppe, die laut hetzt – lässt sich die ideologisch zuordnen?

Zadić: Wir wissen, dass die Identitären eine Kampagne gestartet haben, deswegen hat sich das sehr rasch verbreitet. Gewisse freiheitliche Politiker haben da auch Unwahrheiten verbreitet. Wenn man sich die Kommentare unter ihren Facebook-Postings ansieht, sind die sehr verletzend und teils bedrohend.

STANDARD: Das klingt nicht nach den linksextremen Gruppierungen, von denen die ÖVP jetzt oft spricht.

Zadić: Nein, ich habe keine linksextremen Gruppen gesehen, die da systematisch hetzen würden.

STANDARD: Was werden Sie gegen Hassdelikte im Netz unternehmen?

Zadić: Facebook und Google müssen in die Pflicht genommen werden und bei Verhetzung und Morddrohungen Postings melden und eventuell Accounts sperren. Auch die Rechtsdurchsetzung muss effektiver werden, man sollte bei bestimmten Hassdelikten weg von der Privatanklage. Es sollte in der Strafprozessordnung wieder eine Ausforschungspflicht bei Privatanklagedelikten eingeführt und Ermächtigungsdelikte vor allem bei Hass im Netz gestärkt werden. Der Kostendruck ist bei Privatanklagen zu groß, viele schrecken deshalb davor zurück, diese Anzeigen weiter zu verfolgen. Es betrifft ja wirklich viele, vor allem junge Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund. Ich als Beamtin bin da in einer besseren Position: Beamte können bei Hassdelikten schon die Staatsanwälte zur Ermittlung ermächtigen.

STANDARD: Das heißt, die Hasspostings vor Ihrer Angelobung werden rechtlich anders gewertet als jene nach der Angelobung?

Zadić: Ja, bei übler Nachrede schon. Bei Verhetzung oder Morddrohungen gibt es aber keinen Unterschied.

STANDARD: Inwieweit ist es vorgesehen, dass Sie an der Einführung der Präventivhaft mitwirken? Könnte das Bundeskanzleramt diese ÖVP-Forderung allein mit dem Innenminister durchbringen?

Zadić: Wenn es um Strafrechtsnormen geht, führt an diesem Haus nichts vorbei.

STANDARD: Sie wollen die Staatsanwaltschaften unabhängiger machen. Wie konkret? Werden Sie die Berichtspflichten einschränken?

Zadić: Es gab umfangreiche Arbeitsgruppen unter Moser und Jabloner, da haben sich zwei Aspekte ergeben: Erstens dauern Ermittlungsverfahren zu lange, zweitens gibt es zu viele Berichte. Auf diesen Ergebnissen werden wir aufbauen. Ich werde mir sehr genau anschauen, welche Berichte noch notwendig sind und welche entfallen können. Die Verfahren müssen effizienter werden.

STANDARD: Die Verfahren werden ohne zusätzliches Geld kaum kürzer werden. Ihr Amtsvorgänger Clemens Jabloner sprach von mindestens 90 Millionen Euro.

Zadić: Das Regierungsprogramm sieht vor, dass die Justiz die notwendigen Ressourcen bekommen soll. Es sieht auch die Umsetzung der Digitalisierung vor. Dafür braucht es mehr Ressourcen. Ich möchte den Verhandlungen aber nicht vorgreifen.

STANDARD: Ist eine Aufstockung bei den Kanzleikräften ein Muss?

Zadić: Ich werde die Verhandlungen nicht präjudizieren, aber ja: Beim Supportpersonal wird es mehr Planstellen und Ressourcen brauchen.

STANDARD: Wie verstehen Sie sich eigentlich mit dem Herrn Finanzminister?

Zadić: Wir haben gemeinsam verhandelt, ich verstehe mich gut mit ihm, und wir werden auch sehr bald das erste Gespräch in diesem Zusammenhang führen.

STANDARD: Schon einmal ein Minus auf dem Konto gehabt?

Zadić: Selbstverständlich. Sonst hätte ich mir das Studium nicht finanzieren können.

STANDARD: Wird in Österreich zu viel eingesperrt?

Zadić: Der Strafvollzug ist ein Dauerbrenner. Das Ziel ist es, die Insassenzahlen zu reduzieren. Wir werden auch Einrichtungen modernisieren müssen und die Nachbetreuung stärken.

STANDARD: Die jüngste Strafrechtsverschärfung wurde stark kritisiert, auch von Ihnen. Werden Sie da etwas zurücknehmen?

Zadić: Ich gehe Politik gern evidenzbasiert an. Wir werden das genau evaluieren.

STANDARD: Die Reform ist gerade erst in der Praxis angekommen, bis man da fertig evaluiert hat, vergeht mindestens ein Jahr. Sie werden die Strafverschärfungen also in absehbarer Zeit nicht angreifen?

Zadić: Das stimmt, wir werden aufgrund der Erfahrungsberichte unsere Schlüsse ziehen.

STANDARD: Jüngst wurden viele Reformen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben und müssen nun repariert werden. Was werden Sie tun, um die Qualität der Gesetze zu erhöhen?

Zadić: Wir werden uns Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren genau anschauen. Und ich werde die parlamentarischen Begutachtungsfristen einhalten.

STANDARD: Das Ende der unabhängigen Rechtsberatung im Asylverfahren wurde auch von Ihren Vorgängern kritisch gesehen. Jabloner hat auf eine Kündigung der Verträge mit den NGOs verzichtet und dadurch zumindest vorübergehend Fakten geschaffen. Werden Sie es ihm gleichtun?

Zadić: Natürlich würde das Regierungsprogramm in diesem Punkt anders aussehen, wenn wir es allein geschrieben hätten. Jetzt steht drin, dass eine Umsetzung der Reform erfolgen soll, aber unter Einbeziehung von Experten. Ich werde das mit dem Innenministerium absprechen.

STANDARD: Ob Sie den Vertrag kündigen oder nicht, könnten Sie auch allein entscheiden.

Zadić: Wichtig ist aber ein gemeinsames Vorgehen. Mit dem Innenministerium und mit den NGOs.

STANDARD: Sie legen sich jetzt also nicht fest, ob das Aus der unabhängigen Rechtsberatung fix kommt oder nicht?

Zadić: Wir werden uns das alles noch ansehen und mit den NGO-Vertretern zeitnah sprechen. (Maria Sterkl, 13.1.2020)