Schon die Etrusker liebten die Artischocke. Bei den alten Griechen bekam sie sogar einen Platz in der Mythologie. Und auch die Römer schätzten das feine Gemüse. Ob nach jüdischer Art, alla giudia, oder alla romana – beide Artischockenrezepte aus Italiens Metropole überzeugen mit starkem Geschmack.

Das zarte Herz

Die Artischocke, kratzig nach außen, aber mit einem zarten Herz, scheint die Fantasie der Menschen seit jeher zu beflügeln. So verbreitete der römische Schriftsteller Plinius etwa eine Geschichte aus dem arabischen Raum: Eine Bauerstochter sah den Esel wunderschöne Disteln essen. Sie nahm welche mit und probierte verschiedene Zubereitungen aus. Auf dem Markt waren sie ein großer Erfolg. Ein Prinz probierte die neue Delikatesse und wollte sofort deren Koch kennenlernen. Als die schöne Bauerstochter vor ihn trat, war es bei beiden Liebe auf den ersten Blick.

Artischocken nach jüdischer Art
Foto: Alessandra Dorigato

Die abweisende Nymphe

Weniger glücklich erging es Cynara, der griechischen Nymphe, die Zeus' Avancen hartnäckig widerstand. Zur Strafe für die Zurückweisung verwandelte er sie in eine distelartige Pflanze – eine Artischocke. Auf Lateinisch hieß das Gewächs eigentlich carduus, es wurde aber umgangssprachlich cynara genannt. Eine Bezeichnung, die der Artischocke als botanischer Name blieb.

Foto: Alessandra Dorigato

Die jüdischen Immigranten

Eine andere Strafe wiederum brachte Inspiration in Roms Küchen: Das Ausweisungsedikt der katholischen Machthaber Spaniens trieb 1492 tausende Juden nach Rom. Sie brachten ihre eigenen sowie spanische Kochtraditionen mit in die römische Küche. Kulinarikforscher führen etwa die intensive Verwendung von Olivenöl auf diese Einflüsse zurück. Die carciofi alla giudia, seit dem 16. Jahrhundert in Rezeptbüchern nachgewiesen, werden zum Beispiel in Olivenöl frittiert. Die carciofi alla romana werden mit Wasser und Olivenöl gedünstet.

Foto: Alessandra Dorigato

Kleine Artischockenkunde

Die italienischen Artischocken teilen sich in drei Sorten: die violetti (violett, groß, länglich, mit Dornen) aus Ligurien, Venetien, der Toskana und Sizilien; die romaneschi (rund, groß, ohne Dornen) aus Kampanien und Latium; die spinosi (klein, mit Dornen) aus Sizilien und Sardinien. Die beste Sorte für unsere Rezepte sind die romaneschi, und unter diesen sind die cimaroli die erste Wahl. Sie sind fleischig, und es reicht, die äußeren harten Blätter zu entfernen. Alternativ können Sie auch zu mammole greifen. Das etwas faserige Innere macht sie aber zur zweiten Wahl. Wenn Sie Artischocken kaufen, sollte die Farbe intensiv sein, ohne braune Stellen. Die Frische des Gemüses können Sie auch hören: Wenn Sie zwei Artischocken aneinander reiben, sollte es quietschen.

Foto: Alessandra Dorigato

Zutaten (für 4 Personen)

  • 4 Artischocken (rund und groß)
  • 3 Zitronen
  • 2 Liter Wasser
  • Salz
  • schwarzer Pfeffer
  • reichlich Olivenöl

Zusätzlich für die römische Art:

  • Wasser
  • 2 Knoblauchzehen
  • frische Petersilie und Minze 

Zubereitung

Artischocken waschen, die äußeren Blätter entfernen. Mit einem scharfen Messer die obere Blattkrone abschneiden, am besten dort, wo die Blattfarbe von grün zu gelblich wechselt. Eine Zitrone halbieren und die
Schnittstellen damit einreiben. Die Artischocken würden sonst braun verfärben.

Die Stiele abschneiden und schälen. Zwei Zitronen auspressen und den Saft mit 2 Liter Wasser mischen. Artischocken und Stängel 10 Minuten darin wässern, eventuell mit einem Teller beschweren. Danach trocken tupfen. Ein alter Brauch verlangt, die Artischocken dann in die Hand zu nehmen und sie so einmal um die Kante des Tisches zu rollen. Dadurch sollen sich die Fasern über dem zarten Boden lösen und während des Kochens zerfallen und eine kleine Mulde entsteht. Mit einer Zitronenpresse funktioniert das genauso gut. Bei den cimaroli ist dieser Schritt nicht notwendig.

Foto: Alessandra Dorigato

alla giudia

Die Mulde mit Pfeffer und Salz würzen. Artischocken (oft mit Stängeln) circa 10 Minuten lang in einem Topf in reichlich Olivenöl frittieren. Das Öl darf nicht zu heiß werden und rauchen. Mit einem Holzspieß immer wieder in die Artischocke stechen, um zu prüfen, ob sie weich ist. Öl abtropfen lassen. Die Blätter öffnen, sodass die Artischocke wie eine Rose aussieht. Kurz vor dem Servieren nochmals 1 Minute frittieren. Diese Artischocken werden gern als Vorspeise gegessen. Mit der Hand wird Blatt um Blatt abgezupft. Zitronenwasser und ein Tuch reinigen ölige Finger. 

alla romana

Die Mulde mit einer Mischung aus gehackter Petersilie, Minze, Knoblauch, Salz und Pfeffer füllen. Die Fülle fest andrücken. Ein halbes Glas Wasser und ein viertel Glas Öl in eine hohe Pfanne geben. Dann die Artischocken umgekehrt, eine eng neben der anderen, in die Pfanne geben. Zugedeckt circa 45 Minuten lang schmoren lassen. Dieses Artischockengericht wird in Italien sowohl als Antipasti als auch als Beilage zu Fleischgerichten serviert.

Buon appetito!

Foto: Alessandra Dorigato

Mit diesen Spinat-Ricotta-Ravioli warte ich auf das schöne Wetter. Haben Sie auch schon Sehnsucht nach dem Frühling? (Alessandra Dorigato, 14.1.2020)

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