Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

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Brüssel – Die Nato will in diesem Jahr auf die Stationierung von atomwaffenfähigen russischen Marschflugkörpern in Europa reagieren. "Wenn es um die SSC-8 geht, werden wir an Luftverteidigungs- und Flugkörperabwehrsystemen arbeiten, an konventionellen Waffen, an erhöhter Alarmbereitschaft und einer Verlängerung der Vorwarnzeiten", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg der Deutschen Presse-Agentur.

Auf den Rahmen dafür hätten sich Nato-Verteidigungsminister bereits geeinigt. "Mit der Stationierung der SSC-8-Marschflugkörper hat Russland gegen den INF-Vertrag verstoßen. Sie ist Teil der russischen Strategie, stark in neue moderne Fähigkeiten zu investieren – einschließlich neuer moderner Atomwaffen", erklärte Stoltenberg. Darauf reagiere die Nato defensiv und angemessen.

Rüstungskontrolle stärken

Zudem betonte Stoltenberg, dass die Nato keine Absicht habe, neue landgestützte Atomraketen in Europa zu stationieren. Ein weiteres Ziel sei es, die Rüstungskontrolle zu stärken. Das ist vor allem auch ein Anliegen von Bündnisstaaten wie Deutschland.

Grund für den Ausbau der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der Nato ist das Aus für den INF-Vertrag zum Verzicht auf landgestützte Mittelstreckensysteme. Er war im vergangenen Sommer beendet worden, weil die USA und die anderen Nato-Partner davon ausgehen, dass Russland das Abkommen seit Jahren mit dem System namens SSC-8 verletzte.

Dieses soll in der Lage sein, Marschflugkörper abzufeuern, die sich mit Atomsprengköpfen bestücken lassen und mehr als 2.000 Kilometer weit fliegen können. Moskau weist dies zurück und gibt die Reichweite des Systems mit unter 500 Kilometern an.

Sorge vor neuem Wettrüsten

Der INF-Vertrag untersagte beiden Seiten Produktion, Tests und Besitz von bodengestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörpern mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern. Seit der Auflösung des Vertrags wachsen die Sorgen vor einem neuen Wettrüsten. So haben zuletzt die USA eine bodengestützte Mittelstreckenrakete getestet, die mit dem Vertrag nicht vereinbar gewesen wäre.

Hoffnungen auf wirksame Absprachen zur Rüstungskontrolle gibt es derzeit kaum. Als Grund für die Kündigung des Vertrags durch die USA gilt nämlich auch die Tatsache, dass dieser nur Amerikaner und Russen band, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. China soll mittlerweile über knapp 2.000 ballistische Raketen und Marschflugkörper verfügen, die unter das Abkommen fallen würden. (APA, 13.1.2020)