Das Rad wird von der britischen Drummerin und Elektronikmusikerin Georgia nicht neu erfunden. Spaß macht ihr Album "Seeking Thrills" trotzdem. Im Februar live in Wien.

Foto: Domino Records

Wer die Pressearbeit für Georgia machen muss, hat es nicht ganz leicht. Sie hätte als Jugendliche eine professionelle Fußballkarriere einschlagen können – Kolleginnen schafften es später in die englische Fußballnationalmannschaft der Frauen –, hörte aber nach dem Tod ihres Trainers auf. Sie saß für Kate Tempest und andere am Schlagzeug, bevor sie sich musikalisch selbstständig machte. Sie hat aufgehört, Gluten zu essen, und fühlt sich seitdem wohler, außerdem prägte ihr Papa mit Leftfield die Intelligent Dance Music, kurz IDM. Das sind zwar alles ganz kurzweilige Anekdötchen; aber daraus wird noch "ka Gschicht’".

GeorgiaVEVO

Bei Georgia eignet sich nichts zur großen Inszenierung, nichts zur Markenwerdung. Georgia Barnes, Mitte 20, ist ein komplett normaler Millennial aus London, der Musik macht. Typ coole Socke, mit der man gern in irgendeinem abgehalfterten Pub ein Bier trinken würde, täte sie das noch. Auch Bier enthält Gluten!

Trotzdem hat der Mangel an berichtenswerten Auffälligkeiten einen großen Vorteil: Im Gegensatz zu Künstlern, die es sich zu schnell in einer mit flauschigem Wiedererkennungswert ausgekleideten Schublade gemütlich machen und von Fans und Kritik abgestraft werden, wenn sie sich nur einen Millimeter aus der Komfortzone herausbewegen, kann Georgia eigentlich alles machen. Ungewöhnlich ist da schon eher, dass sie es auch tut.

Knackige Refrains

Ihr Debütalbum aus dem Jahr 2015, das ihren Namen trägt, und der nun erschienene Zweitling Seeking Thrills klingen wie Tag und Nacht. Oder eigentlich umgekehrt: wie Nacht und Tag. Auf Georgia munkelte die Musikerin im Dunkeln; Man fühlt sich da und dort positiv an Fever Ray erinnert, die angenehme Melancholie überwog, aber es blitzte auch schon eine Liebe zum knackigen Refrain durch.

Fünf Jahre später hört sich Georgia nun auf weiten Strecken ziemlich anders an. Seeking Thrills verzichtet zwar nicht ganz auf das eine weinende Auge; es tränt nun aber in einer bunten Rollschuhdisco der Marke Robyn (Anspieltipp: About Work The Dancefloor). DIY-Tanzmusik für Leute, die die Trends, denen sie folgen, zumindest ein bisserl reflektieren.

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Georgia ist nicht die Erste, die mit dem Synthpop der 80er flirtet, ja fast schon "fix zamm" ist – so stark sind die Anleihen geraten. Trotzdem bringt sie genug Charakter und Ideen mit, um das Rad nicht ganz neu erfinden zu müssen, solange sie es nur gut dreht.

Ihre Auftritte bestreitet sie allein, umgeben von Drum-Pads, auf die sie zärtlich singend schlägt, konzentriert, aber charismatisch. Eine Ein-Frau-Band, die gut Gas gibt und sich deswegen auch auf den sommerlichen Festivals bereits einen guten Ruf ertrommelt hat. Ob sie den Hype um sich in ein Tor verwandeln kann oder doch im Abseits landet, wird die Zeit zeigen. (Amira Ben Saoud, 13.1.2020)