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Der emeritierte und der aktuelle Papst – auch in Zukunft eine Beziehung ohne Misstöne?

Foto: AP/Gregorio Borgia

Fast sieben Jahre lang, seit seinem Rücktritt am 28. Februar 2013, hat Joseph Ratzinger kein kritisches Wort über seinen Nachfolger verloren. Sich, wie er es angekündigt hatte, "im Verborgenen" bewegt und sich auf Spaziergänge in den vatikanischen Gärten und auf das Schreiben theologischer Schriften beschränkt. Doch nun meldet sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. aus seinem vatikanischen Kloster mit deutlichen Worten zurück. Der 92-Jährige tut dies mit einem Zitat des heiligen Augustin: "Silere non possum!" – Ich kann nicht schweigen.

Anlass zur aufsehenerregenden Intervention des Ex-Papstes sind die Bestrebungen innerhalb der Kirche zur Lockerung des Zölibats. In einem neuen Buch mit dem Titel "Des profondeurs de nos cœurs" ("Aus der Tiefe unserer Herzen"), das er zusammen mit Kurienkardinal Robert Sarah aus Guinea geschrieben hat und von dem die französische Zeitschrift "Le Figaro" am Wochenende Auszüge publiziert hat, warnen die Autoren eindringlich davor, den Zölibat aufzugeben: "Bischöfe, Priester und Laien müssen damit aufhören, sich von falschen Ideen, theatralischen Produktionen, teuflischen Lügen und modischen Irrtümern einschüchtern zu lassen."

Die Kirche als Braut Christi

Für Joseph Ratzinger und Robert Sarah, Präfekt der vatikanischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, ist der Zölibat "unverzichtbar": Die Kirche sei nicht einfach eine menschliche Institution, sondern ein Mysterium: Sie sei die Braut Christi. Der Zölibat erinnere die Welt an dieses Mysterium, und auch die Priester seien mit der Kirche verheiratet: "Wenn ein Priester mit dem Zölibat zeigt, dass er die Kirche heiraten will, was ist dann der Sinn verheirateter Priester?", fragen Ratzinger und Sarah in dem Buch.

Die Autoren betonen, dass die geforderte sexuelle Abstinenz für Priester kein negatives Urteil gegenüber Körperlichkeit und Sexualität an sich bedeute. "Aber der Ruf, Jesus nachzufolgen, ist nicht möglich ohne dieses Zeichen der Freiheit und den Verzicht auf Kompromisse." Auf den Missbrauchsskandal in der Kirche gehen Ratzinger und Sarah nicht ein. Für den früheren Papst besteht zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch kein Zusammenhang: In einem Essay hatte er im vergangenen Jahr die sexuelle Revolution der 1960er-Jahre als Grund für die Probleme ausgemacht.

Nachsynodales Schreiben erwartet

Die Veröffentlichung des Buches seines Vorgängers kommt für Papst Franziskus zu einem heiklen Zeitpunkt: Im Herbst hatten sich die Teilnehmer der Amazonas-Synode dafür ausgesprochen, dass "geeignete und anerkannter Männer" ("viri probati") in Ausnahmefällen zu Priestern geweiht werden können. Als Kandidaten infrage kommen dabei verheiratete Familienväter, die bereits ständige Diakone sind und damit die erste Weihestufe erhalten haben. Mit dieser Maßnahme sollte der akute Priestermangel in der entlegenen Region des Amazonasbeckens gemildert werden. Das letzte Wort in dieser Sache hat Papst Franziskus: In den nächsten Wochen wird sein nachsynodales Schreiben erwartet, in welchem er seine eigene Position zum Zölibat darlegen muss.

Die vorgeschlagene Priesterweihe für "viri probati" hatte in konservativen katholischen Kreisen umgehend für einen Aufschrei gesorgt. In italienischen Medien war bereits von einem drohenden Schisma (Kirchenspaltung) die Rede. Bis zum Buch von Ratzinger und Sarah war man in Rom davon ausgegangen, dass Franziskus dem Anliegen der Synode in irgendeiner Form Rechnung tragen würde, zumal die vorgeschlagene Lösung lediglich eine Lockerung in begründeten Ausnahmefällen, aber keineswegs die Aufhebung des Zölibats bedeuten würde. Nachdem sich sein Vorgänger in die Diskussion eingemischt hat, ist die Aufgabe von Franziskus nicht einfacher geworden.

Ratzinger und Sarah versichern Franziskus im Vorwort zwar ihren Gehorsam. Mit dem Buch aber schlagen sie sich klar auf die Seite der Konservativen, die an der Synode bei der Abstimmung über die "viri probati" mit 41 zu 128 Stimmen unterlegen waren.

Nicht immer ein Zölibatbefürworter

Im Gegensatz zu Sarah war Joseph Ratzinger nicht immer gegen die Lockerung des Zölibats gewesen: In den 1970er-Jahren hatte er zusammen mit anderen Theologen die Deutsche Bischofskonferenz aufgefordert, die Pflicht der Priester zur Ehelosigkeit auf den Prüfstand zu stellen. Zu einem entschiedenen Befürworter des Zölibats wurde er erst später.

Welche Folgen die Stellungnahme von Benedikt XVI. für das persönliche Verhältnis der beiden Päpste im Vatikan haben wird, vermag derzeit niemand vorauszusagen. Bisher war es von großem gegenseitigen Respekt geprägt. In Fragen der Lehre waren die Unterschiede kleiner gewesen als gemeinhin angenommen.

Mit anderen Worten: Auch Franziskus ist konservativ, aber er ist, und das unterscheidet ihn von den Fundamentalisten in der Kurie, gleichzeitig offen für begründete Ausnahmeregelungen. Auf Kritik hat Franziskus bisher immer gleich reagiert: Er ließ sie unbeantwortet. (Dominik Straub aus Rom, 13.1.2020)