Justizministerin Alma Zadić von den Grünen.

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In Brüssel gratuliert Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Österreichs neuerlich gekürtem Premier und hofft auf gute Zusammenarbeit. Aus Budapest grüßt herzlich Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident. Viktor Orbán lässt seinen früheren Freund und neuerlichen Amtskollegen Sebastian Kurz wissen: "Uns Ungarn imponiert der österreichische Mut." Schwarz-Grün käme für ihn, Orbán, nicht infrage. Die ungarischen Grünen seien wie Wassermelonen: "Außen grün und innen rot". Mahlzeit.

Politikersprech im Klartext. Es gilt das gesprochene Wort. Dasselbe gilt für schriftlich Dokumentiertes. Notwendig sind statt propagandistischer Phrasen mehr denn je klar verständliche Aussagen der politischen Kaste. Das gilt auch für die Politszene in Österreich. Warum? Als glaubwürdiges Training für gesellschaftspolitisches Denken in Sachen Demokratie und als Gegenmittel zu Verrohung.

Die rassistische Hetze und die Angriffe gegenüber unserer neuen Justizministerin sind mehr als erschreckend. Alma Zadić, geboren in Bosnien, als Flüchtlingskind aufgewachsen in Österreich und längst österreichische Staatsbürgerin, ist heute eine renommierte Rechtsanwältin. Die Widerwärtigkeiten ihr gegenüber kommentierte der neuerlich gekürte Bundeskanzler zunächst kühl, das gehöre zum politischen Geschäft und müsse ausgehalten werden. Zugleich wies er auf eine eigene Erfahrung hin.

Baby-Hitler

Kurz hatte in einem Interview mit der deutschen Zeitung "Bild am Sonntag" (Auflage der verkauften Exemplare an die 750.000) die Meinung kundgetan, private Seenotretter erhöhten die Zahl der Toten im Mittelmeer. Eine Hilfsorganisation reagierte daraufhin auf Twitter mit der ursprünglich von einem Satiremagazin kreierten, völlig überzogenen Bezeichnung "Baby-Hitler". Der Vollständigkeit wegen sei aber gesagt, dass sich der Bundeskanzler schließlich via Twitter voll und ganz hinter Zadić stellte.

Kanzler Kurz macht offen und ehrlich kein Hehl aus seiner Abneigung gegenüber hiesigen islamischen Gemeinschaften und Gesellschaften. Auch ihm dürften, wie so vielen anderen Patrioten, die einstigen osmanischen Belagerungen Wiens nicht aus dem Kopf gehen wollen. Das christliche Europa müsse vor einer Islamisierung geschützt und gerettet werden. Der Kampf gegen jedwede islamische Zugehörigkeit könnte auch deshalb ein primäres Anliegen der christlich-sozialen ÖVP sein. Die Ministerin für Integration und Frauen hat deshalb auch als erstes Ziel die Gründung eines Dokumentationszentrums für beziehungsweise gegen politischen Islamismus angekündigt. Gute Idee, die jedoch voraussichtlich ziemlich viel kostet.

Warum dieses Center nicht als zusätzliche Abteilung im DÖW, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, angesiedelt wird, ist schleierhaft – hinsichtlich der dort bereits angesiedelten Experten und auch angesichts der zu erwartenden Kosten. Könnte bei dieser Entscheidung vielleicht auch die Lust an politischer Kontrolle eine Rolle spielen?

"Muslime raus"

Im D-Wagen der Wiener Linien entlang des Rings stand am Wochenende auf einer Rückenlehne mit schwarzen Lettern geschrieben: "Muslime raus". – Alma Zadić, unsere neue Justizministerin, wurde unter anderem im Netz beflegelt, weil sie angeblich eine Muslimin sei. Sie ist es nicht. Sie ist dies genauso wenig, wie Kurz ein Baby-Hitler ist. Zadić wurde aus rassistischen Gründen bösartig verunglimpft, Kurz humoristisch im Rahmen einer Politsatire.

Das mit schwarzem Filzstift geschriebene Graffiti in der Wiener Straßenbahn ist keine Satire, sondern bittere Realität. Hatten wir solche rassistischen Symptome nicht schon einmal? Eine dringende Bitte an die neue Regierung ist, das antimuslimische und rassistische Feuer nicht noch weiter zu schüren. Die Justizministerin darf in keinerlei Hinsicht als Paradefrau für jedwedes Ressentiment herhalten müssen. Zu hoffen ist, dass der Kanzler das schon richten wird.

In seinem neuen Kabinett ist Propaganda und Medienpolitik einer einzigen Person anvertraut. Demokratiepolitische Experten und Expertinnen halten dies für unvereinbar. Warten wir ab, wie das Kanzleramt dies aus der Ballhausplatz-Perspektive handhaben wird.

Versehentlich falsch zugespielte Untertitel bei der Aufzeichnung der Regierungsangelobung wird es allerdings so bald nicht mehr geben. Schade – sie waren eine ungewollt zum Brüllen komische Satire. Hier galt allerdings nicht das gesprochene Wort, stattdessen entstand eine köstliche Humoreske. Wie beginnt doch auch die Präambel des aktuellen, um Sachlichkeit und Klarheit bemühten türkis-grünen Regierungsprogramms? Ja, erraten: "Österreich ist ein wunderbares Land." (Rubina Möhring, 14.1.2020)