Rechts außen kampagnisierte wochenlang gegen den UN-Migrationspakt.

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Wer die Grünen nach ihrer aktuellen Meinung zum Uno-Migrationspakt fragt, bekommt als Antwort nur mehr ein verbales Schulterzucken. "Die Positionen sind ja bekannt", sagte Vizekanzler Werner Kogler unlängst. Das Regierungsprogramm sei halt "ein Gesamtkompromiss". Am Wochenende hat Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erneut das österreichische Nein zum Uno-Migrationspakt bekäftigt.

Dabei herrschte bisher die Erzählung vor, dass sich Türkis bei der Ablehnung des Pakts, der einst von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) mitverhandelt wurde, dem Druck der FPÖ gebeugt habe. Angeblich soll Blau im Herbst 2018 sogar das Ende der Koalition angedroht haben, wenn Kanzler Kurz unterschreibe.

Jetzt sorgt der globale Vertrag erneut für Unmut – vor allem bei der SPÖ und bei den Neos. Denn wie schon zuvor bei der Debatte rund um die geplante Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber tragen die Grünen nun eine weitere Position mit dem Koalitionspartner ÖVP mit, die bis vor kurzem noch ihrer eigenen Überzeugung diametral entgegengesetzt war.

Am rechten Rand Europas

Rückblick: Bevor am 19. Dezember 2018 bei der Uno-Vollversammlung in New York 152 Staaten für den Migrationspakt stimmten (fünf votierten dagegen, zwölf Länder, darunter Österreich, enthielten sich, und 24 nahmen an der Konferenz nicht teil), übten auch vier namhafte Grüne, heute alle in der Regierungsriege vertreten, heftige Kritik am Vorgehen von Türkis-Blau.

Werner Kogler, damals außerparlamentarischer Oppositionschef, aber schon Bewerber für die grüne Spitzenkandidatur für die EU-Wahl, sprach im November 2018 von einem "fatalen Signal". Das Land stelle sich mit der Ablehnung des Pakts während der EU-Präsidentschaft an den rechten Rand Europas. In dieser Zeit attackierte Kogler auch die ÖVP: Sie habe sich beim Migrationspakt "von rechten Trollfabriken treiben lassen". Tatsächlich fand der Thinktank ISD Global damals heraus, dass die rechtsextremen Identitären als Erste gegen den Migrationspakt agitiert hatten.

In einer Liga mit Trump und Orbán

Zuvor, im Oktober 2018, hatte schon Rudi Anschober – bis vor kurzem Integrationslandesrat in Oberösterreich, heute Sozialminister – per Aussendung festgehalten: Es sei "ein Armutszeugnis", dass sich Türkis-Blau mit der Ablehnung des Uno-Migrationspakts "in dasselbe Eck stellt wie Trump und Orbán". Das zeige deutlich auf, dass Teile der Regierung "keine Lösungen der Herausforderungen durch Migration wollen".

Ebenfalls harte Kritik am Kurs von Kanzler Kurz und seinem Vize Heinz-Christian Strache übte Alma Zadic, einst außenpolitische Sprecherin der Liste Pilz, jetzt grüne Justizministerin: Auch sie warnte im Oktober 2018 davor, dass Österreich "nicht in einer Liga" mit Trump und Orbán spielen dürfe – so ruiniere man "unseren Ruf als Brückenbauer und glaubwürdiger Partner".

Anfragen, Anträge, Protest

Damals brachte sie im Parlament sowohl eine Anfrage an Kurz als auch einen Entschließungsantrag für eine Annahme des Migrationspakts ein, doch der bekam freilich keine Mehrheit. Im Dezember 2018, kurz vor der Annahme des Pakts in Marrakesch, lud die Liste Pilz – und auch Zadic – sogar zum Protest auf dem Platz der Menschenrechte vor dem Wiener Museumsquartier. Titel der Aktion: "Österreich mauert sich ein!" Im April 2018, im EU-Wahlkampf, warf Zadic der FPÖ wiederum vor, ein "Arm der Identitären" zu sein, deren Agenda, siehe Ablehnung des Uno-Migrationspakts, die Regierung umsetze.

Und auch Staatssekretärin Ulrike Lunacek befand als ehemalige EU-Parlamentsvizepräsidentin im Jänner 2019: Mit der Nichtunterzeichnung stelle man sich auf eine Seite mit Kräften, die gegen Multilateralismus seien. "Die ÖVP gibt der FPÖ nach" – und deswegen, so prophezeite sie, sähen immer mehr EU-Parlamentarier Österreich nicht mehr als "Verbündeten gegen EU-kritische und rechte Gruppen". (Nina Weißensteiner, Fabian Schmid, 13.1.2020)