Von innen ist es natürlich nur auf Umwegen zu rekonstruieren, aber so in etwa soll unsere Heimatgalaxie im Panoramablick aussehen. Hervorstechendes Merkmal sind die Spiralarme, die am sogenannten Balken in der Zentrumsregion ansetzen.
Illustration: APA/EPA/NASA/JPL-Caltech/ESO/R. Hurt

In den Spiralarmen einer Galaxie wie der Milchstraße ist die Konzentration von Sternen besonders hoch. Aus den Massen von interstellarem Gas und Staub, die sich hier versammeln, entstehen laufend neue Sterne, die nach ihrer Geburt langsam aus diesen Regionen hinausdriften. Unser Sonnensystem etwa liegt zwischen zwei der größten Spiralarme der Milchstraße, dem Sagittarius- und dem Perseusarm, und wird einer vergleichsweise kleinen Abzweigung namens Orionarm zugerechnet.

Auf Spurensuche

Wie das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) berichtet, hat sich ein internationales Forscherteam nun näher mit der Frage befasst, woher die Spiralarme das Nachschubmaterial für neue Sterne beziehen. Astronomen der Universität Calgary in Kanada und des MPIA konnten zusammen mit Kollegen von anderen Forschungseinrichtungen zeigen, dass der Nachschub von einer deutlich heißeren Komponente des Interstellaren Mediums aus Gas und Staub stammt, die gewöhnlich die gesamte Milchstraße einhüllt.

Dieses "Warme Ionisierte Medium" (WIM) hat eine mittlere Temperatur von 10.000 Grad. Energiereiche Strahlung von heißen Sternen führt dazu, dass das Wasserstoffgas des WIM größtenteils ionisiert ist. Ihre Ergebnisse bringen die Forscher zum Schluss, dass sich das WIM in einem schmalen Bereich nahe eines Spiralarms verdichtet und allmählich unter Abkühlung hineinfließt.

Polarisierte Strahlung

Zu ihren Daten kamen die Forscher durch die Vermessung der sogenannten Faraday-Rotation, einem Effekt, der nach dem englischen Physiker Michael Faraday benannt ist. Dabei ändert sich die Polarisationsrichtung von linear polarisierter Radiostrahlung, wenn sie durch ionisiertes Gas läuft, das von einem Magnetfeld durchzogen ist. Man spricht von polarisierter Strahlung, wenn das elektrische Feld nur in einer Ebene schwingt. Das Ausmaß der Richtungsänderung der Polarisation hängt zudem von der beobachteten Wellenlänge ab.

In ihrer in den "Astrophysical Journal Letters" veröffentlichten Studie konnten die Astronomen ein ungewöhnlich starkes Signal in einem eher unscheinbaren Bereich der Milchstraße ermitteln, der sich an die Seite des Sagittariusarms anschmiegt, die dem Galaktischen Zentrum zugewandt ist. Der Spiralarm selber sticht in den Bilddaten durch starke Radiostrahlung heraus, die von eingebetteten heißen Sternen und Supernovaüberresten erzeugt wird.

"Noch viel zu entdecken"

Die stärkste Verschiebung der Polarisation findet sich jedoch außerhalb dieser markanten Zone. Daraus folgern die Astronomen, dass die erhöhte Faraday-Rotation nicht innerhalb dieses aktiven Teils des Spiralarms entspringt. Vielmehr stamme es von verdichtetem WIM, welches wie das Magnetfeld zu einer weniger offensichtlichen Komponente des Spiralarms gehört.

"Das starke Signal in einem eher unauffälligen Bereich der Milchstraße hat uns sehr überrascht", sagt Henrik Beuther vom MPIA. "Diese Ergebnisse zeigen uns, dass es bei der Erforschung der Struktur und der Dynamik der Milchstraße immer noch viel zu entdecken gibt." (red, 15. 1. 2020)