Präsident Putin (Mitte) legt Augenmerk auf seine Flotte.

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Mehr als 300 Meter lang und über 65 Meter hoch. Tiefgang fast elf Meter und eine Wasserverdrängung von 80.000 Tonnen. Angetrieben von vier Atomreaktoren mit einer Leistung von je 305 Megawatt, die das Schiff auf 55 Kilometer pro Stunde beschleunigen sollten. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges wollte die Sowjetunion mit diesem Ungetüm das Gleichgewicht im Wettrüsten auch zu Wasser wiederherstellen. Der Flugzeugträger Admiral Uljanowsk sollte den nuklearen US-Flugzeugträgern der Nimitz-Klasse – benannt nach dem ersten Träger dieser Art, der 1975 in Dienst gestellten USS Nimitz – Paroli bieten.

Doch die sowjetischen Militärs verspäteten sich mit der Planung. Das Kriegsschiff wurde zwar 1988 noch auf der Kriegswerft im heute ukrainischen Mykolajiw aufgelegt, doch nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten weder die Ukraine noch Russland Geld und Verwendung für den Giganten der Meere. 1992 zerlegten die Schiffbauer den Korpus wieder, und das Projekt landete auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Nicht ganz! Denn nun wird das Projekt zumindest teilweise wiederbelebt. Einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge soll die Admiral Uljanowsk als Vorlage für einen neuen flugzeugtragenden Atomkreuzer dienen. "Das technische Projekt und die Dokumentation, nach der auf der Schwarzmeerwerft in Mykolajiew Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre die Arbeit an der Uljanowsk ausgeführt wurde, werden bei der Schaffung eines neuen russischen Flugzeugträgers dienen", zitiert Tass eine anonyme Quelle aus der russischen Schiffbauindustrie. Daneben sollen aber auch die Erfahrungen, die der deutlich kleinere Flugzeugträger Admiral Kusnezow im Syrien-Einsatz gesammelt hat, berücksichtigt werden.

Gigantomanischer Neubau

Die Admiral Kusnezow ist der derzeit einzige Flugzeugträger Russlands. Das 1985 vom Stapel gelaufene Kriegsschiff ist mit einer Wasserverdrängung von 60.000 Tonnen allerdings deutlich kleiner als der geplante Neubau. Zudem wird die Kusnezow – wenn sie denn einmal fährt – nur von konventionellen Dampfturbinen und -kesseln angetrieben. Seit 2017 ist sie wegen andauernder Reparatur- und Modernisierungsarbeiten auf der Werft, die sich nach einem Brand im Dezember 2019 wohl noch bis 2022 hinziehen werden.

Der Auftrag für den Neubau soll demnach schon in diesem Jahr an die staatliche Werften- und Rüstungsholding OSK (englisch USC) gehen, berichteten russische Medien. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht. Die russische Marine hatte früher erklärt, sie plane, etwa 2030 einen atomaren Flugzeugträger in Dienst zu stellen. Das entspricht auch den bisherigen Erklärungen des Verteidigungsministeriums, wonach der Vertrag für den Bau 2025 unterzeichnet werden soll. Die Bauzeit beträgt demnach fünf Jahre.

Allerdings wäre ein Vorziehen dieser Aufrüstungspläne keineswegs ausgeschlossen. In den letzten Jahren hat der Kreml seine außen- und sicherheitspolitischen Ambitionen deutlich erhöht. In Syrien hat sich die russische Führung einen Flottenstützpunkt im Mittelmeer gesichert, Gleiches erhofft sie sich nun auch in Libyen. Eine Bestätigung der Berichte ist ebenfalls nicht zwingend notwendig. Immerhin werden Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben seit einigen Jahren nicht mehr detailliert aufgelistet, seit Wladimir Putin diesen gesamten Komplex im Etat als streng vertraulich eingestuft hat. Der Kreml liebt eben Überraschungen. Bekannt ist nur, dass zwischen 2019 und 2021 etwa 30 Prozent der Haushaltsausgaben für Verteidigungs- und Sicherheitszwecke fließen. Das erinnert stark an die Zeit des Kalten Krieges.

Neue Erfahrungen

Bei aller Liebe und Rückbesinnung auf die glorreichen Sowjetzeiten wird die russische Rüstungsindustrie nicht den Fehler machen, den Flugzeugträger detailgetreu seinem über 30 Jahre alten Vorbild nachzubauen. Genutzt werden können wohl Berechnungen zum Korpus des Schiffes, ansonsten wird der Flugzeugträger nach dem neuesten Stand der Militärtechnologie gebaut und darf damit getrost als neues Projekt eingestuft werden.

Das dürfte auch den Antrieb betreffen. Beim Atomantrieb will die Flotte bleiben, doch die Konstruktionen dürften absolut neu sein. Schließlich haben die Werften in den letzten Jahren beim Bau von Atomeisbrechern reichlich Erfahrung gesammelt.

Und bei der Bewaffnung wird Russland ohnehin alles draufpacken, was es zu bieten hat. Und das ist einiges: Rund 70 Flugzeuge und Hubschrauber soll der Träger beherbergen können. Auf dem Deck dürften dann neben den heute eingesetzten Su-33 auch die neuesten, teilweise noch in Entwicklung befindlichen Mehrzweckkampfjets MiG-35 und Su-57 Platz finden. Daneben sollen Putins neue Hyperschall-Wunderwaffen, mit denen er vor zwei Jahren die Welt aufschreckte – wie die Luft-Boden-Rakete Kinschal ("Dolch") und die Antischiffslenkwaffe Zirkon – zum Arsenal gehören. Und der Flugzeugträger wird eigens dafür gebaut, auch Mittelstreckenraketen vom Typ Kalibr zu verschießen, die Russland nach Donald Trumps Kündigung des INF-Vertrags in den nächsten Jahren massiv weiterentwickeln will.

Technisch könnte die russische Flotte der Konkurrenz mit dem neuen Flugzeugträger sicher das Wasser reichen. Quantitativ hätten die USA aber weiter die Bugspitze vorn. Schließlich betreiben sie zehn Flugzeugträger der Nimitz-Klasse. (André Ballin aus Moskau, 14.1.2020)