Susanne Raab (links) hat selbst noch nie Sexismus im Berufsleben erlebt. In ihrem neuen Job als Regierungsmitglied muss sie ihn aber an anderen miterleben. Zum Beispiel an Alma Zadić, die bekanntlich wüsten sexistischen und rassistischen Beschimpfungen ausgesetzt ist.

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Manchen Menschen fällt Sexismus selbst dann nicht auf, wenn er vor ihnen steht und ihnen die Hand schüttelt. Das sollte man der neuen Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab natürlich nicht unterstellen. Aber: In einem ihrer ersten Interviews wurde die Frauenministerin von der Tageszeitung "Heute" gefragt, ob sie im Laufe ihrer Karriere direkt mit Sexismus konfrontiert gewesen sei. "Glücklicherweise," so gab Raab zu Protokoll, "habe ich noch nie persönlich Sexismus am Arbeitsplatz erlebt."

Das ist schön, es ist ihr zu gönnen. Für eine Frauenministerin ist es allerdings eine recht sorglose bis naive Aussage, die viele erstaunen wird, die es völlig anders erleben. Denn es gilt: Sexismus muss man auch erkennen können – nicht nur den offensichtlichen, sondern auch den subtiler vorgebrachten. Da wäre nicht nur die offensichtlich diskriminierende Frage nach potenziellen Schwangerschaften beim Vorstellungsgespräch oder wenn einer die Kollegin "Schnucki" nennt. Es geht auch um nach wie vor unterschiedlich angelegte Maßstäbe für Männer und Frauen im Job, das nur scheinbar lässige Unterbrechen des Kollegen, wenn eine Frau gerade spricht, oder die Kolleginnen, die nach ihren Karenzen plötzlich in schlechteren Positionen sitzen. Wer das Glück hatte, selbst keinen Sexismus im Berufsleben erlebt zu haben, muss trotzdem sensibel genug bleiben, ihn zu erkennen, wenn er an anderen ausgeübt wird.

Maßstäbe für eine Frauenministerin

Sicher, Sexismus und Diskriminierung sind oft sehr subtil. Oft folgt einem anfänglich diffusen Unbehagen erst viel später das klare Bewusstsein, was da gerade abgegangen ist – schließlich haben ja alle anderen die Bemerkung über die abwesende Kollegin furchtbar lustig gefunden. Es ist nicht immer leicht, richtig zu reagieren und Sexismus auch als solchen einzuordnen.

Allerdings ist es eine Minimalanforderung an eine Frauenministerin, diesbezüglich über maximale Sensibilität und Kompetenz zu verfügen. Ihre Aussage über den nie erlebten Sexismus im Job schafft nicht gerade Vertrauen in ihren kritischen Blick für Diskriminierung und Sexismus. Ebenso wenig ihr Nachsatz im selben Interview, dass man sich als Frau in Führungspositionen "schon behaupten muss". Das ist der klassische Leistungsdiskurs der ÖVP, der strukturelle Probleme gern negiert und gerade in Zusammenhang mit Frauenpolitik vermittelt, dass man sich halt durchboxen müsse.

Frauenministerin, aber keine Feministin

Strukturelle Probleme vermutet Raab hingegen, wenn es um "andere" Gesellschaften geht. In den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit will sie sich um das Kopftuchverbot kümmern. Zwar gibt es bislang keine offiziellen Zahlen oder auch nur Schätzungen, wie viele Mädchen ein Kopftuch tragen und wie viele davon es so wollen – doch für Frauenministerin Raab steht fest, dass es für "Österreichs Frauen" eine Gefahr darstellt, wenn "patriarchal geprägte Kulturen in einem hohem Ausmaß zu uns kommen".

In einem Interview mit dem Radiosender Ö1 verwehrt sich die Frauenministerin gegen das "Label", eine Feministin zu sein. Eine Frauenministerin, die es für wichtig hält, diese Zuschreibung abzuwehren, und bei den ersten Auftritten ihrer Amtszeit einen starken Tunnelblick bei den frauenpolitischen Herausforderungen offenbart – das könnte zur eigentlichen Gefahr für "Österreichs Frauen" werden. (Beate Hausbichler, 14.1.2020)