Das subjektive Stressempfinden im Alltag wird von Forschern der Donau-Uni Krems analysiert.

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Menschen, die schwierige Situationen in Job, Familie oder Ausbildung zu managen haben und deshalb stressgefährdet sind, müssen vor allem auch sich selbst managen. Um belastbar zu bleiben, braucht es Erholung und Entschleunigung zur richtigen Zeit. Langanhaltender Stress ist ein Risikofaktor, der zu körperlichen und physischen Erkrankungen führen kann. Doch viele Menschen hetzen durch den Alltag, ohne über ihren Stress und seine Auslöser zu reflektieren.

Ihnen könnte eine Entwicklung helfen, an der Wissenschafter der Donau-Universität Krems gemeinsam mit Kollegen der Universität Ulm und weiteren deutschen Universitäten arbeiten: In den kommenden Wochen soll die Smartphone-App Track Your Stress erscheinen. Sie soll Nutzern helfen, Stresslevels und ihre Auslöser nach wissenschaftlich fundierten Kriterien zu dokumentieren. Einerseits sollen automatische Auswertungen den Anwendern dazu dienen, mehr über ihr Stressverhalten und Bewältigungsmuster herauszufinden. Andererseits sollen die gewonnenen – natürlich anonymisierten – Daten der Stressforschung wertvollen Input liefern.

Selbsteinschätzung

"Für die Erfassung der Selbsteinschätzung nutzen wir in der Forschung etablierte Fragebögen, um Stresserleben und sogenannte Copingmechanismen – also Stressmanagementstrategien – zu erheben", sagt Thomas Probst vom Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems. Nach einem umfangreicheren Fragenkatalog zu Beginn können tägliche, wöchentliche und monatliche Fragebögen ausgefüllt werden. "Es ist natürlich jedem selbst überlassen, wie oft er die App nutzt", betont Probst. "Bei täglicher Nutzung liegt der Zeitaufwand bei fünf bis zehn Minuten."

Als Rückmeldung bekommen Anwender Informationen zu Entwicklungen von Stresslevel, Stressreaktivität und Bewältigungsmechanismen: "Man erfährt, ob man beispielsweise besonders stresssensibel auf Misserfolge oder soziale Konflikte ist und ob man auf Stress mit positivem Denken oder mit dem Konsum von Alkohol oder Zigaretten reagiert", erläutert der Forscher.

Für die Entwickler war es wichtig, dass eine App, die Nutzer immer wieder auf ihren Stress hinweist, nicht selbst zum Stress beiträgt. Ein derartiger Rückkopplungseffekt ist auch bei anderen Gesundheitsservices, die sich etwa Diabetes oder Tinnitus widmen, ein Thema. Probst und Kollegen haben deshalb die Veränderungen des Stressempfindens bei 100 Probanden in einer vierwöchigen Studie analysiert.

Angst vor Misserfolg

"In dieser ersten Untersuchung haben wir im Allgemeinen keine Veränderungen im Stresslevel gefunden", resümiert der Forscher. "Nur wenn wir Nutzer angeschaut haben, die besonders sensibel auf Misserfolge reagieren, ging der Stresslevel leicht in die Höhe." Die Ursache könne in der Angst, bei der Stressanalyse schlecht abzuschneiden, aber auch in anderen Misserfolgen während der Nutzung liegen.

Für die Wissenschafter bieten die per App gewonnenen Daten die Gelegenheit, Untersuchungen außerhalb des Labors, wo Erkenntnisse nicht immer generalisierbar sind, durchzuführen. "Wir wollen verschiedene Fragestellungen bearbeiten, sagt Probst. "Dazu gehören Schwankungen in der Entwicklung der Stresswerte, saisonale Schwankungen oder Zusammenhänge zwischen Stresslevels und Bewältigungsstrategien im Alltag."

Die Forscher hoffen vorerst auf 100 bis 200 Nutzer der App, was für erste Studien ausreicht. Künftig seien auch Untersuchungen geplant, bei denen man regelmäßig Nutzer ins Labor einlädt und die Daten aus der App mit Messungen des Stresshormons Cortisol ergänzt. Die App, die für iPhone und Android verfügbar sein wird, ist kostenlos und soll nach Vorstellung der Entwickler einen Gewinn für Nutzer und Wissenschafter bringen. (pum, 21.1.2020)