Die Putzfrau auf Konfrontation mit der Bourgeoisie (Marion Fuhs, Jan-Hinnerk Arnke, Kristoffer Nowak).

Rupert Larl

Die Putzfrau stinkt. Wer führt das "Duschen Sie bitte vor der Arbeit"-Gespräch? Über den adäquaten Umgang mit dem Personal entzündet sich ein Streit zwischen finanziell betuchten, aber hinsichtlich ihrer Sozialkompetenz minderbemittelten Eheleuten. Unnötig zu erwähnen, dass es eigentlich ihre Borniertheit ist, die hier den üblen Geruch verbreitet.

Wohlstandsneurosen, Doppelmoral, ins Groteske verzerrte Political Correctness und bröckelnde bourgeoise Fassaden sind die Zutaten zu Marius von Mayenburgs Stück Plastik.

Man hat es außerdem mit einer Kunstsatire zu tun: Wenn schon eine Putzfrau am Werk ist, kann sie sich auch gleich an Fettecken zu schaffen machen und – "den Dreck unserer Zivilisation" wegputzend – zur sozialen Plastik erklärt werden. Joseph Beuys lässt grüßen.

Der deutsche Regisseur Stefan Maurer hat die österreichische Erstaufführung im Tiroler Landestheater leicht austrifiziert. Statt eines Götz aus Tübingen ruft in Innsbruck etwa ein Klaus aus Klagenfurt an. Eigentlich gar nicht nötig, denn die verhandelten Themen sind universell genug: verkommene Gesellschaft, verlogene Moral, verpackt in eine bitterböse Beziehungskomödie, die manche Erinnerung an Yasmina Reza wachruft.

Michael ist ein vielbeschäftigter Chirurg, Ulrike die an den eigenen Kunstambitionen gescheiterte Assistentin eines Konzeptkünstlers namens Serge Haulupa. Jan-Hinnerk Arnke gibt diesen als herrlich ungustiösen Unsympathen, der seinem Umfeld zynisch zugespitzte Wahrheiten um die Ohren haut und sich dabei stets auch selbst mitentlarvt.

Schlechtes Gewissen

Manchem Schreiduell zwischen den Eheleuten hätte eine bessere Orchestrierung gutgetan, gepflegte gegenseitige Verachtung lässt sich auch in bösen leisen Tönen ausdrücken anstatt nur in Gebrüll. Sara Nunius’ famoser Darstellung der bornierten Arztgattin mit schlechtem Wohlstandsgewissen tut das aber keinen Abbruch. Kristoffer Nowak verblasst dagegen als Michael ein wenig.

Als stilles Epizentrum dieses Bebens im gehobenen Mittelschichtsmilieu bleibt wiederum Marion Fuhs als Putzfrau Jessica bewundernswert stoisch. Und kümmert sich – als ehemalige Nagelstudio-Angestellte – nebenbei um den pubertierenden Sohn der Arbeitgeber (Philipp Rosenthal), der gerade seine weibliche Seite entdeckt.

Luis Graningers Bühnenbild deutet die minimalistisch eingerichtete Designerwohnung an, eine weiße Fliesenwand fungiert auch als Video-Projektionsfläche, die Drehbühne ermöglicht effektvolle Auftritte. Optisch am meisten geboten wird, wenn der Künstler die Putzfrau zum gemeinsamen Action-Painting verdonnert.

Mayenburgs Komödie setzt erfolgreich auf die Lacher der Selbsterkenntnis, so richtig weh tut sie aber nicht. Immerhin: Statt der Katharsis gibt’s am Ende ein höchst erbauliches letztes Abendmahl. (Ivona Jelcic, 15.1.2020)